ETA bedroht Journalisten

MADRID taz ■ „Die Lage für journalistisches Arbeiten im Baskenland ist unerträglich geworden. Das Gleiche gilt für viele Journalisten im restlichen Spanien“, so die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (RsF) in ihrem soeben veröffentlichten Bericht über das Baskenland. Über 100 Journalisten und Zeitungsverleger in der Region und in Madrid bewegen sich nur noch mit Leibwächtern. Einige von ihnen verfügen über auf Flucht spezialisierte Chauffeure, die Fenster der baskischen Redaktionen bestehen meist aus Panzerglas. „Wer nicht schreibt, was den Separatisten gefällt, der lebt als Journalist im Fadenkreuz der ETA“, so der Titel des sechsseitigen RsF-Berichts.

Die bewaffneten Separatisten und ihr Umfeld nehmen all diejenigen zum Ziel, die in ihren Augen „im Dienste des Innenministeriums“ stehen. Neben den großen, spanienweiten Tageszeitungen, Radio- und Fernsehstationen gehört zu den „Hunden der Presse“ und „Verrätern am nationalen Aufbau“ auch die nicht nationalistische baskische Presse. Ohne Bedrohung leben deshalb nur die Journalisten der für die Autonomie des Baskenlandes eintretenden Sender sowie die von ETA-nahen Tageszeitungen.

Seit Jahren mobilisiert das ETA-Umfeld vor Redaktionen und Wohnungen der Journalisten zu Protestkungebungen, bei denen diese als „Mörder“ beschimpft werden, da sie für die angebliche Besatzung des Baskenlandes mitverantwortlich seien. Bei einem in Südfrankreich verhafteten ETA-Mitglied fand man eine Aufstellung von Wohn- und Arbeitsorten vieler Journalisten. „Die Situation hat sich in den letzten Monaten verschärft“, heißt es im RsF-Bericht. Vor allem nach dem Bruch des 16-monatigen Waffenstillstands im Dezember hat die ETA die Presse zum Ziel erklärt. Zwei Journalisten, ein Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Radio Nacional und ein Redakteur der Madrider Tageszeitung La Razón erhielten seither Briefbomben. Am 7. Mai wurde erstmals ein Journalist ermordet: Der 63-jährige José López de Lacalle schrieb für die baskische Regionalausgabe der Madrider Tageszeitung El Mundo Meinungskolumnen und gehörte dem Redaktionsrat an.

REINER WANDLER