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Der Konsenskampf geht weiter

■ Lebhafte Debatte über den Atomausstieg in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft

„Ein Vertrag“, weiß Antje Möller, „ist noch kein abgeschaltetes Atomkraftwerk.“ Es komme jetzt auf die praktische Umsetzung des Berliner Konsenses zum Atomausstieg an, erklärte die GAL-Fraktionschefin gestern in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft. Das politische Ziel der Grünen sei erst erreicht, „wenn der letzte Meiler abgeschaltet, die Wiederaufarbeitung beendet und die Endlagerung gelöst ist“, mahnte Möller. Der kernige Kanzlerkonsens sei nicht mehr als „ein Zwischenergebnis in einem historischen Prozess“.

Es sei „weniger erreicht worden, als wir wollten“, gab GAL-Energieexperte Axel Bühler zu. SPD-Bürgermeister Ortwin Runde forderte er auf, als Aufsichtsratsvorsitzender der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) dafür zu sorgen, dass diese „sich dem Konsens anschließen“. Zwar sei „ein entscheidender Schritt“ gemacht worden, aber „der Kampf geht weiter“.

Welcher Kampf, fragten Lutz Jobs und Norbert Hackbusch vom Regenbogen zurück. Die GAL habe sich „aus der Anti-AKW-Bewegung verabschiedet“. Die Behauptung von 32 Jahren durchschnittlicher Laufzeit für Atomreaktoren sei „gelogen“, rechnete Jobs vor, 35 Jahre würden es in Wahrheit werden. Das AKW Brunsbüttel werde vermutlich sogar 43 Jahre, bis 2019, am Netz bleiben.

Für die SPD räumte Monika Schaal ein, dass „der Preis des Konsenses ein Zeitgewinn für die Betreiber ist“. Dieser sei aber nicht unendlich, das Aus für den ersten Reaktor werde „schneller kommen als manche glauben“. Das AKW Stade werde mit Sicherheit bis 2004 stillgelegt werden. Selbst wenn, würde nur ein horrender volkswirtschaftlicher Schaden entstehen, mahnte Hartmut Engels (CDU). Ein Ausstieg sei angesichts von „hunderten unsicheren Reaktoren in Europa gar nicht möglich“, sondern ein „isolationistischer Standpunkt“.

Der grüne Umweltsenator Alexander Porschke beharrte auf seiner Einschätzung, dass die Berliner Vereinbarung „ein Kompromiss ist, aber kein Konsens“. Nur durch Stilllegungen sei ein realer Ausstieg zu realisieren, insofern sei die Vereinbarung „aus meiner Position als Fachsenator eine gute Option, aber völlig unzureichend“.

Die HEW dementierten gestern, Übergangslager für abgebrannte Atombrennstäbe an ihren AKWs einrichten zu wollen. „Wir haben einen solchen Antrag nicht gestellt und sehen auch keinen Bedarf für eine derartige Interimslösung“, sagte HEW-Sprecher Johannes Altmeppen. Er rechne damit, dass die geplanten Zwischenlager an den Reaktoren in etwa fünf Jahren in Betrieb gehen könnten. Bis maximal 2005 wollen die HEW abgebrannte Brennelemente wiederaufarbeiten lassen.

Die nächsten Castor-Transporte aus Krümmel und Brunsbüttel stünden, so Altmeppen, im Frühjahr 2001 an. Dann, so kündigte Lutz Jobs gestern an, müsste die Auseinandersetzung um die Atomernergie „wieder auf der Straße geführt werden“. Sven-Michael Veit

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