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Mit Green Card zum Bowling

IT-Filipinos statt Computer-Inder: Ein Mönchengladbacher Unternehmer will das Fachkräfteproblem mit Rundumbetreuung lösen. Ein Arbeitsplatz reicht nicht, auch die Wohngemeinschaft muss sein

von BEATE WILLMS

Die Witze mit dem „Indernet“ findet Andreas Volz ganz schön abgegriffen. Und komisch seien die ohnehin nie gewesen. „Als ob man gerade erst gemerkt hätte, dass es auch außerhalb von Europa und den USA Computer gibt.“ Und außerdem: Wieso spreche man im Zusammenhang mit Computerexperten immer nur von Indern?

So hätten doch beispielsweise die Filipinos nun mehrfach bewiesen, dass auch sie fit genug für den Weltmarkt seien. Fit genug, ganze Computernationen mit einem einzigen kleinen Virus lahm zu legen. Volz: „ILOVEYOU! war doch ein spektakuläres Bewerbungsschreiben.“

Ganz uneigennützig wirft er sich nicht in die Bresche: Der Mönchengladbacher Unternehmer, geschäftsführender Gesellschafter des Beratungs- und Handelsunternehmens MHT GmbH, arbeitet seit 1991 mit philippinischen Firmen in der IT-Branche zusammen. Jetzt wittert er die Chance, seine Kontakte nutzbringend anzuwenden – indem er deutsche Computerunternehmen bei der Suche nach geeigneten Fachkräften in die richtige Richtung dirigiert.

„Auf den Philippinen Leute anzuwerben, ist viel einfacher“, erklärt Volz. „Die Inder haben mehr Probleme mit unserer Kultur. Oder wir mit ihrer.“ Immerhin seien 80 Prozent der Inder Hindus, 14 Prozent Muslime und nur 2,4 Prozent Christen. Dagegen gälten die Filipinos durch den langen amerikanischen Einfluss als stark westlich geprägt: 83 Prozent sind römisch-katholisch, neun Prozent protestantisch, andere Glaubensrichtungen spielen kaum eine Rolle. Computerspezialisten allerdings schon. Nach einer Studie des schweizerischen Institute for Management Development (IMD) rangieren die Philippinen mit über acht Millionen „verfügbaren IT-Spezialisten“ nur knapp hinter Indien weltweit auf Platz zwei, mit einem Vorsprung von mehr als einer halben Million vor Australien, Israel und Ungarn. Rund vier Millionen Filipinos arbeiten heute im Ausland. Als das Land Anfang der Neunziger in einer tiefen Krise steckte, während die umliegenden Staaten boomten, verhinderten nur ihre Devisenüberweisungen, dass die Kaufkraft, und damit die Wirtschaft, zusammenbrach.

Trotz dieser günstigen Ausgangsbedingungen müsse „man die Leute erst abholen“, sagt Volz. Auf bloße Internetkampagnen hin würden sich seiner Erfahrung nach die wenigsten bewerben. Und: Wenn man „wirklich gute Leute“ haben wolle, müsse man „schon etwas zu bieten haben“. Zwar leben gut ein Drittel der Filipinos unter der Armutsgrenze, aber die IT-Experten gehören in der Regel nicht dazu. „Wenn die nach Deutschland kommen sollen, muss man dafür sorgen, dass sie sich hier wohl fühlen.“ Hierbei, so der Unternehmer, sei es hilfreich, sich im philippinischen Alltag auszukennen. „So ist es dort vollkommen unüblich, allein zu wohnen.“ Also müsse man hier eben Wohngemeinschaften organisieren. Zu viel verlangt sei das nicht, schließlich böten ja auch einige der neuen Wachstumsunternehmen ihren deutschen Beschäftigten Einkaufs- und Bügeldienste oder Sportmöglichkeiten – um zu vermeiden, dass die zur Konkurrenz abwandern.

Da die meisten Unternehmen diesen Aufwand für ein, zwei oder auch ein halbes Dutzend ausländischer Spezialisten kaum selbst werden betreiben wollen, sieht er hier seine Marktlücke: Komplettpakete von der Auswahl und Anwerbung auf den Philippinen über die WG bis hin zu Bowlingabenden – „der philippinische Volkssport“. Rechnen würde sich die Organisation allerdings erst ab einer größeren Anzahl Leute. „500 könnten wir schon schaffen“, sagt Volz und hofft auf einen Großauftrag eines der großen Technologieunternehmen.

Bislang lässt sich seine Suche aber eher zäh an.Viele der Firmen, die in Berichten im Focus oder im Spiegel darüber jammerten, dass sie keine Computerexperten fänden, hätten bei Nachfrage gar keinen akuten Bedarf. Marion Schink vom Bundesverband Junger Unternehmen (BJU) glaubt dagegen, dass das private Headhunting zwar durchaus Sinn ergibt. Das Gesamt-Projekt kommt ihr allerdings „ein bisschen zu nett“ vor. So viel Umstände um das private Befinden von Beschäftigten könnten sich mittelständische Unternehmen in der Regel gar nicht leisten.

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