piwik no script img

„CDU soll Flagge zeigen“

■ Seit einem Jahr sitzt er für die SPD in Bremens Parlament: Michael Engelmann ist der erste bekennend schwule Abgeordnete in Bremen

taz: Als du vor einem Jahr für die SPD in die Bremische Bürgerschaft gewählt wurdest, hast du gesagt, dass du nicht der Berufsschwule in der Fraktion werden, im Thema gleichgeschlechtliche Liebe aber dennoch einen Schwerpunkt in der politischen Arbeit setzen willst. Was hast du in dem einen Jahr für Schwule und Lesben in Bremen bewegen können?

Michael Engelmann, Bürgerschaftsabgeordneter: Bei einer nüchternen Bilanz muss man sagen: Wir haben in Bremen nicht viel erreicht. Es war ein schwieriges Jahr – wir sind in der großen Koalition. Ich will die CDU nicht in eine Ecke stellen, aber es ist nicht leicht, mit den Christdemokraten etwas in die Richtung zu veranstalten. Von dem, was der rot-grüne Senat in Hamburg in den letzten zweieinhalb Jahren erreicht hat, sind wir noch meilenweit entfernt. Es laufen aber wenigstens ein paar kleine Versuche in Bremen, etwas für Schwule und Lesben zu verändern.

Was denn?

In den letzten Wochen habe ich versucht, mit der CDU zu klären, ob man in Bremen das Auskunftsrecht im Krankenhaus für Lebensgemeinschaften – gleichgeschlechtlich oder auch nicht – einführen kann. Das würde bedeuten, dass man nicht verheiratet sein muss, um Auskünfte über den Gesundheitsstatus des Partners zu bekommen. In Hamburg gibt es seit zwei Monaten ein Gesetz, das dies ermöglicht. Ich wollte das in Bremen auch haben. Allerdings habe ich in dem Gesetzentwurf, den ich der CDU zugeleitet habe, das böse Wort „homosexuell“ drin gehabt – um zu zeigen, dass es auch um diesen Personenkreis geht. Das ist offensichtlich in der CDU nicht auf Gegenliebe gestoßen.

Bei welchen Themen kannst Du außerdem auf Bundesland-Ebene und in einer großen Koalition etwas bewegen?

In Bremen sehe ich da kaum Möglichkeiten, das ist nun mal so. Auf Länderebene sind zudem nur kleine Schritte möglich. Ein anderes Thema wäre, ob man gleichgeschlechtlichen Partnerschaften auch das Anrecht auf einen gemeinsamen Berechtigungsschein für die Wohnungsvergabe ermöglichen kann. Ich kläre noch, wie das zuständige Ressort dazu steht, um mich nicht in irgendwelchen Illusionen zu verstricken, die mit der CDU später nicht zu machen sind. Was ganz gut lief ist die Fortführung der Förderung der Aids-Prävention in Bremen, also die Unterstützung von Aids-Hilfe und vom Rat & Tat-Zentrum – da liegen wir mit der CDU auf einer Linie.

Ein Erfolg ist es in Bremen schon, wenn der Status Quo erhalten bleibt?

Man muss das fast so sehen. Der Koalitionspartner hat ein anderes Familienbild als SPD oder Grüne. Da muss man kleine Schritte machen, um etwas zu erreichen. Auf Bundesebene haben wir ja auch noch das Thema der eingetragenen Partnerschaft. Da brauchen wir einen gesamtgesellschaftlichen Konsens, weil der Bundesrat zustimmen muss. Deswegen möchte ich die CDU auch nicht in irgendeine Ecke stellen, aus der sie später nicht mehr herauskommt.

Also: Wie holt man die CDU mit ins Boot?

Bundes-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin will noch vor Ende des Jahres das Gesetz zu eingetragenen Partnerschaften verabschiedet und in Kraft getreten sehen. Da kommt es vor allem darauf an, im Bundesrat eine Zustimmung hinzubekommen. Ich finde es wichtig, dass die gesellschaftlichen Gruppen in Bremen eine Stimmung schaffen, dass Bremen eigentlich nur noch zustimmen kann, weil alles andere auf Unverständnis stoßen würde. Das werden wir Schwusos in den nächsten Monaten in Bremen betreiben.

Bremen hat drei Stimmen im Bundesrat. Bei Konflikten, so steht es im Koalitionsvertrag, wird sich enthalten. Glaubst du ehrlich, dass sich die CDU da bewegen wird?

Ich habe die Hoffnung, dass die CDU durch gezielte Ansprache nicht anders kann und sich nicht so weit rechts positionieren will. Frau Merkel redet ja nun davon, dass sie die CDU mit sozialem Touch neu erfinden wolle. Dann sollen die das in Bremen auch mal beweisen, dass es ihnen damit ernst ist. Bremens Parteichef Bernd Neumann muss da auch mal Flagge zeigen – und wenn es die Regenbogenflagge ist.

In welcher Fraktion gibt es eigentlich mehr Schwule? In der SPD oder in der CDU?

Das weiß ich wirklich nicht. Wahrscheinlich liegen beide Parteien im gesellschaftlichen Durchschnitt (also bei rund fünf Prozent, Anm. der Red.)

Wie ist das im parlamentarischen Alltag: Wirst du auf dein Schwulsein angesprochen?

Insgesamt sind die Reaktionen sehr positiv, auch aus anderen Fraktionen. Ab und an bekommt man dusseliges Getuschel hinter dem Rücken mit – wie das eben überall so ist. Natürlich ist auch meine Fraktion ein Spiegelbild der Gesellschaft, auch dort gibt es Personen, die mit dem Thema nicht so gut umgehen können. Wirklich negative Erfahrungen habe ich noch nicht gemacht.

Und in der Schwulenszene? Wirst du da oft auf dein politisches Amt angesprochen?

Direkte Problemlösungen wurden noch nicht von mir erwartet. Und was das Persönliche betrifft: Ich kann nicht davon berichten, dass die Menschen jetzt mit mir ganz anders umgehen als vor meiner Zeit als Abgeordneter.

Fragen: Christoph Dowe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen