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Eine neue Rede muss her

Pünktlich zum heutigen Christopher Street Day zeigt sich die Bundesregierung homofreundlich. Doch auf der Schwulen- und Lesbenparade wird Rot-Grün nicht nur geliebt. Politfraktion will ausscheren

von KATRIN CHOLOTTA

Die Hotels sind fast ausgebucht, die Kostüme fertig genäht, die Forderungen auf Transparante gebracht, aber die Kundgebungsrede für den heutigen Christopher Street Day muss umgeschrieben werden. Schuld ist einmal mehr die Bundesregierung.

Überraschend hatte sich gestern Rot-Grün geeinigt, homosexuelle Paare künftig Ehepaaren gleichzustellen. Im vorbereiteten Redeentwurf war die Bundesregierung aber noch scharf dafür kritisiert worden, dieses Thema zu zögerlich behandelt zu haben. Für CSD-Sprecherin Ute Zill ist die Einigung deshalb ein Erfolg. Sie geht davon aus, dass der Umzug von dem Durchbruch bei der Homo-Ehe geprägt sein wird. „Ich denke schon, dass wir das feiern werden.“

350.000 TeilnehmerInnen und 70 Paradewagen erwarten die Veranstalter heute ab 13 Uhr zum 22. Christopher Street Day unter dem Motto: „Unsere Vielfalt zieht an!“ Auf neuer Route wird der Zug vom Kurfürstendamm über den Nollendorfplatz und den Potsdamer Platz am Brandenburger Tor vorbei zur Siegessäule durch die Innenstadt ziehen. Bis Mitternacht verwandelt sich dann der Große Stern in eine riesige Open-Air-Disko mit Kundgebung und Showbühne.

Doch was sich für den staunenden Zuschauer als glitzernder Trubel bietet, sorgt in den Lagern der Berliner Homo-Szene – auch unabhängig von der rot-grünen Bundesregierung – für Zerwürfnisse. „Basis 69“ nennt sich ein frisch gegründetes Bündnis aus bisher 13 Projekten und Gruppen, das sich letztmalig an einer CSD-Parade dieser Form beteiligen will. Den Organisatoren des Umzuges, dem „CSD e. V.“ (ebenfalls verschiedene Vereine und Initiativen), wirft man eine „knallharte Machtpolitik“ vor. Die Parade würde inzwischen als Touristenattraktion angepriesen und das Logo vermarktet, so Sprecherin Suse Strippe. Unter dem Motto „Bleiberecht für alle“ wollen die Wagen der Basis-69-Sympathisanten ab dem Potdamer Platz deshalb aus der großen Parade ausscheren, um nach Kreuzberg zu ziehen. Mit dabei ist auch die Farbeierwerferin auf Joschka Fischer.

„Mich ärgert, das Basis 69 als die Politischeren gelten“, sagte Pressesprecher Jürgen Bienek vom CSD e. V. Sicherlich gingen die meisten Leute zum Feiern auf die Parade, jedoch seien auch genügend Vereine ohne Diskowagen präsent. Zudem wunderte sich Bienek, dass Basis 69 trotzdem teilnimmt: „Wenn man sich abspaltet, sollte man dies konsequent tun.“

Nachdem die Bundesregierung bereits eine Forderung des CSD erfüllt hat, bleiben noch zwei weitere: aktivere Maßnahmen zum Abbau von Vorurteilen sowie die Wiedergutmachung für das Unrecht der Nazizeit.

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