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Jutta Hohnke

Die Wirtin der Imbissstube Hohnke

„Nein“, sagt Jutta Hohnke (59), „es hat sich wirklich nichts geändert.“ Dieselbe Arbeit, dieselbe Stundenzahl, morgens zur selben Uhrzeit aufstehen. Seit 22 Jahren betreibt sie zusammen mit ihrem Mann, auch er gelernter Koch, die Imbissstube Hohnke in der Danziger Straße in Berlin-Prenzlauer Berg. Öffnungszeiten von 7 bis 17 Uhr, am Freitag bis mittags um eins, am Wochenende ist geschlossen.

Die Danziger hieß früher Dimitroffstraße. Auch der Bezirk ist nicht mehr derselbe. Schicke Läden, Szenekneipen, Neubauten aus Glas und Beton. Und dazwischen die Imbissstube Hohnke, in der vieles an früher erinnert, als man noch „Arbeiterimbiss“ sagte und auch meinte. Vier Tische mit je vier Stühlen aus Holz, geblümte Tischdecken, darauf Glasplatten, die Jutta Hohnke nach jedem Gast sauber wischt. Wände und Decke holzverkleidet, auch der Tresen ist aus Holz und die kleine Vitrine, in der belegte Brötchen liegen, Buletten, nichtalkoholische Getränke. Draußen kein Neonschild, nur der vergilbte Schriftzug „Imbissstube“ und zwei Fähnchen mit einem lachenden Schwein und dem Spruch „Hier kannste futtern wie bei Muttern!“

„Natürlich“, sagt Jutta Hohnke, „der Umsatz geht zurück. Die Gäste sind weniger geworden, viele Bauarbeiter kommen jetzt von außerhalb. Die haben ihre Stullenbüchsen im Auto. Das geht nicht spurlos an uns vorbei, dass es hier im Bezirk so viele Arbeitslose gibt.“ Dabei sind Hohnkes Preise niedrig. Kartoffelsalat mit Bulette eins sechzig, Wiener Würstchen eins zwanzig, Eintopf drei Mark. „Wir müssen doch an unsere Leute denken“, sagt Jutta Hohnke. „Ich könnte die Preise natürlich anheben. Aber was bringt mir das, wenn ich dann zwei Monate später am Ende bin?“

Hohnke ist ein Familienbetrieb. Auch die Tochter arbeitet mit und der Schwiegersohn, beide ebenfalls gelernte Köche. Die Männer kaufen ein und sind für die Küche zuständig, die Frauen, in Schürzen gekleidet, vorn an der Theke. Es geht familiär zu, auch mit den Gästen. Wie geht’s heute? Dasselbe wie gestern? Die meisten kennt Jutta Hohnke persönlich. „Der Wohnungsleerstand hier macht uns zu schaffen“, sagt sie. „Ein Prenzlberger zieht nie weg, und jetzt muss er, weil die Mieten zu teuer werden.“ Ja, es gebe viel Trauriges. „Aber“, sagt sie dann noch, „nicht alles ist schlecht.“ Viele, die wegziehen mussten, erzählt sie, kommen auch nach Jahren noch bei ihr vorbei. Dann freut sie sich, wenn sie sieht, wie die Kinder groß geworden sind. „Schreiben Sie das“, sagt sie. „Und kommen Sie auch mal wieder vorbei.“

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