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kanzlerbahn vor ausPilzzucht unterm Reichstag

Verkehrssenator Peter Strieder (SPD) braucht Erfolgserlebnisse; schließlich will der angeschlagenen Parteichef nächste Woche wieder gewählt werden. Ein Erfolg scheint ihm nun vergönnt zu sein: Berlin das teuerste Gewächshaus der Welt für Champignons beschert zu haben – den fertigen Tunnel der U 5 zwischen Lehrter Bahnhof und Brandenburger Tor. Den Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD) hat Strieder nach eigenen Angaben überzeugt, dem Gemüse-Plan zuzustimmen.

Kommentar von RICHARD ROTHER

Damit haben sich die Machtverhältnisse im U-Bahn-Poker deutlich verschoben – zuungunsten der eine Milliarde Mark teuren Verlängerung der U 5. Denn jetzt steht U-Bahn-Fan Eberhard Diepgen (CDU) ziemlich allein da, nachdem ihm schon Finanzsenator Peter Kurth (CDU) in kurzsichtigem Sparwahn in den Rücken gefallen war – obwohl Berlin das große Infrastrukturprojekt vom Bund fast geschenkt bekommt und lediglich 90 Millionen Mark, auf mehrere Jahre verteilt, aufbringen müsste.

Den U-Bahn-Befürwortern fehlt nun das schärfste Argument: dass bereits rund 350 Millionen Mark verbuddelt wurden und der Bund seine Mittel zurückfordern könnte. Auf das Geld will Klimmt jetzt verzichten. Die U-Bahn, die weite Teile Ostberlins an das Regierungsviertel anbindet, steht deshalb kurz vor dem Aus.

Das wäre ein herber Verlust für die Nahverkehrsinfrastruktur der Stadt – die U 5 ist die einzige U-Bahn-Anbindung des künftigen Zentralbahnhofs Lehrter Bahnhof. Wie wichtig die wäre, hat die Love Parade gezeigt: Die S-Bahn war überlastet, bei einer Störung wäre das Chaos ausgebrochen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, versucht Strieder die Gemüter zu beruhigen. Das glaubt niemand. Er könnte genauso gut behaupten, Champignons wüchsen auf Bäumen. Bei den Sozis mag das ankommen – für die Stadt wäre es schlecht.

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