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„Der Bund pokert hoch“

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Wolfgang Wieland, zu den Demonstrationen gegen den iranischen Präsidenten und den politischen Gruppen, die dahinter stehen

taz: Herr Wieland, sind Sie Gegner oder Befürworter der Visite des iranischen Präsidenten Chatami?

Wolfgang Wieland: Der Besuch ist durch die reale Menschenrechtslage im Iran sicherlich nicht gerechtfertigt. Er ist gerechtfertigt durch die Hoffnung, dass sich mit Chatami die Verhältnisse grundlegend ändern werden. Diese Hoffnung kann aber auch trügen. Die Zukunft wird zeigen, ob die Bundesregierung hier zu hoch gepokert hat oder nicht. Wenn im Iran wieder Köpfe rollen, wird sie dem Vorwurf ausgesetzt sein, dass sie dem Regime eine zusätzliche Legitimation verschafft habe.

Was sagen Ihre iranischen Bekannten dazu?

Der Riss geht quer durch meine iranischen Freunde und Freundinnen, die ich zum Teil seit 30 Jahren aus gemeinsamer politischer Arbeit kenne. Die einen sagen, Chatami kann der Gorbatschow des Iran werden, wenn er eine Eigendynamik auslöst, die zu einem Ende dieses Gottesstaates führt. Der andere Teil fragt, ob es denn einen liberalen oder einen Reformflügel der NSDAP gegeben habe, und weist darauf hin, dass sich alles in dem engen Korsett des iranischen, islamistischen Regimes abspielt.

Wie sind die Gruppen einzuordnen, die in der Stadt gegen den Besuch demonstrieren?

Am auffälligsten demonstriert der „Nationale Widerstandsrat“, der im wesentlichen von den Volksmudschaheddin bestimmt wird, die im Irak eine regelrechte Armee stehen haben. Dies ist eine Gruppe, die zunächst bei der Islamischen Revolution mitgemacht hat. Sie war quasi ihr linker Flügel. Sie musste dann ins Exil gehen und hat sehr spektakulärte Attentate im Iran verübt.

Sind die Volkmudschaheddin in Berlin sehr aktiv?

Sie sind in Berlin nicht auffällig, aber im Bundesgebiet. Sie haben ein hohes Mobilisierungspotenzial in ganz Europa. Sie haben es geschafft, sich mit dem Nationalen Widerstandsrat einen pluralistischen Anstrich zu geben. In ihren Broschüren verkünden sie indes, dass Marjam Radjavi die künftige Präsidentin des Iran sein wird. Als altmodischer Demokrat bin ich der Meinung, dass man zuvor das Volk befragen müsste.

Was gibt es noch für Strömungen?

Es gibt noch sehr viele zersplitterte Gruppierungen, die teilweise aus der Studentenbewegung hervorgegangen sind, die es 1967/68 auch im Iran gegeben hat. Es existiert das ganze Spektrum, das wir in der Bundesrepublik zu K-Gruppen-Zeiten auch hatten. Es befehdet sich noch in ähnlich intensiver Weise. Sozialdemokratische Gruppierungen, die den unseren entsprechen, sind sehr schwach ausgeprägt. Es gibt auch noch eine sehr schwache royalistische Opposition, die das Schahregime mit dem Schahsohn wieder einführen möchte.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE

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