Ein Iraner in Weimar: Deutsch-iranischer Kulturdialog
Was hat der altpersische Nationaldichter Hafis mit Weimar zu tun? Geboren wurde er um 1320 im südiranischen Schiras. Gestorben ist er fast 70 Jahre später ebenda. In seinen Gedichten erzählt er vor allem von Liebe und Wein, für den Schiras berühmt war. Johann Wolfgang von Goethe, der knapp 500 Jahre später in Weimar das Zeitliche segnete, inspirierten die persischen Gedichte zu seinem „West-östlichen Divan“. Diese „Kooperation“ ist ein Zeichen, wie lange der Dialog der Kulturen bereits funktioniert. Eigentlich also eine Selbstverständlichkeit. Staatsoberhäupter sollten sie nicht mehr einfordern müssen. Wenn Politiker heute auf „kulturelle Differenzen“ verweisen, ist das häufig der Versuch, politische Schandtaten zu legitimieren.
Kommentarvon THOMAS DREGER
Chatamis Rede ist dennoch wegweisend, weil politisch motiviert. Die eigentlichen Inhalte stehen freilich zwischen den Zeilen. Die Kulturen sollten gegenseitig voneinander lernen, kann so gelesen werden, dass der iranische Präsident Interventionen von Menschenrechtlern nicht mehr per se als Einmischung ablehnt. Dass Kontakte über wirtschaftliche und kommerzielle hinausgehen sollen, deutet an, dass beispielsweise westliche Popmusik, wie sie längst illegal von der Masse iranischer Jugendlicher gehört wird, ihm nicht verdammenswert ist.
Irans Konservative wird der Auftritt in Weimar ärgern. Schon deshalb, weil Hafis als Antipode zum strengen schiitischen Islam gilt. Er war an Mystik interessiert und am prallen Leben. Genau deshalb ist in den vergangenen Jahren in Iran ein regelrechter Hafis-Kult entstanden.
Chatami knüpft mit der Würdigung der beiden Dichter an seine bisherige Politik an, die Verhältnisse im Land über eine kulturelle Öffnung zu verändern. Sollte demnächst in Teheran ein Goethe-Institut seine Tore öffnen, werden tausende IranerInnen davor Schlange stehen.
Unbeantwortet ist jedoch die Frage, wie weit die kulturelle Öffnung auch einen politischen Wandel bewirkt. Die Bilanz der bisherigen Politik Chatamis ist, vorsichtig formuliert, widersprüchlich. Gerade Kulturschaffende leiden noch immer unter dem repressiven System. Ebenfalls widersprüchlich sind die Äußerungen aus Teheran zu Chomeinis Mordaufruf gegen Salman Rushdie. Hier wäre ein klärendes Wort von Chatami geboten. Die Denkmalenthüllung von Weimar erschiene sonst als scheinheilige Geste. Sie nährte den Verdacht, dass es eigentlich gar nicht um Hafis geht, sondern um Hermes-Bürgschaften.
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