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Sammelbecken aller Stammtische

Mit einer rechtsstaatlichen Offensive will der gnadenlose Richter Ronald Schill in Hamburg für die rechte Ordnung sorgen  ■ Von Sven-Michael Veit

Ein Mann, eine Partei, ein Thema: Ronald Schill, PRO, Verbrecherjagd. Innerhalb von 100 Tagen nach der Übernahme der Regierungsverantwortung will der Hamburger Richter Ronald „Gnadenlos“ Schill die Verbrechensrate in der Hansestadt halbieren. Das kündigte der 41-Jährige, der sich im September wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung selbst der vollen Härte des Gesetzes stellen muss, gestern bei der Vorstellung seiner frischgegründeten „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ (PRO) an.

Das von 70 Mitgliedern gefüllte Sammelbecken aller Stammtische will bei der Bürgerschaftswahl im Herbst nächsten Jahres „realistischerweise 20 bis 30 Prozent der Stimmen“ erreichen, so Schills Zielvorgabe. Diese würden sich vor allem aus dem Reservoir der Nichtwähler sowie enttäuschter SPD- und CDU-Wähler rekrutieren. Wahrscheinlichster Koalitionspartner sei die CDU, aber auch ein Bündnis mit Statt Partei und FDP als Juniorpartner sei akzeptabel.

Das Parteiprogramm von PRO wird dominiert „von unserem zentralen Anliegen Innere Sicherheit“. Gefordert werden geschlossene Heime für jugendliche Gewalttäter, „Null Toleranz“ gegen Dealer und straffällige Ausländer, eine drastische Verschärfung der Abschiebepraxis, die sofortige Räumung von Roter Flora und Bauwagenplätzen sowie das Ende der Diskriminierung der Hamburger Polizisten und die Aufstockung der Beamtenzahl auf „mindestens 10.000“.

In anderen politischen Bereichen ist das Programm weniger differenziert. Das Abitur müsse wieder „zum echten Leistungsnachweis“ werden, alle „verkehrs- und wirtschaftsbehindernden Einschränkungen“ seien ebenso aufzuheben wie „Ökosteuer und Benzinpreistreiberei“, und die geplante Straßenbahn sei überflüssig.

Dem am Donnerstag Abend hinter verschlossenen Türen im Ratsweinkeller gewählten Vorstand der rechtspopulistischen Sammlungsbewegung gehören außer dem Vorsitzenden und Spitzenkandidaten Schill 14 Personen an. Seine Stellvertreter sind der Bundeswehr-Hauptmann Mario Mettbach (Ex-CDU, Ex-Statt Partei) und der Jurist Dirk Nockemann. Schatzmeis-ter ist der ehemalige CDU-Ortsvereinschef von Billstedt, Norbert Frühauf, Schriftführerin Schills Lebensgefährtin Katrin Freund, eine 33-jährige Maklerin.

Als Beisitzer fungieren unter anderem der frühere SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Manfred Silberbach und der Eimsbüttler Finanzmakler Björn Neumann. Der gerade aus der CDU ausgetretene 22-Jährige hatte noch im Februar auf dem Hamburger CDU-Parteitag gegen Dirk Fischer um den Parteivorsitz kandidiert. Als Garanten für „unsere Nicht-Ausländerfeindlichkeit“ halten her die deutsch-türkische Bürokauffrau Carmen Canan-Münch und der Deutsch-Ghanaer Anthony Rau, der zwischen „den vielen rechtschaffenen Schwarzafrikanern und den Dealern“ zu differenzieren weiß.

„Tausende“, so Schill, hätten ihn in Briefen und am Telefon gebeten, „mit dem unfähigen Senat aufzuräumen“ und diese Partei zu gründen. Dann, so hätten „viele“ gesagt, „kommen wir zu Ihnen und bringen unseren Kegelclub gleich mit“.

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