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Ausuferndes Helfen verboten

„Connection“ schmierte Brote für Drogenabhängige am Hauptbahnhof. Jetzt schmierte ihnen das Bezirksamt-Mitte eine: Verboten  ■ Von Sandra Wilsdorf

Ärgert es Sie auch so, dass am Hauptbahnhof einmal in der Woche zwei Stunden lang Menschen an Tapeziertischen stehen und Drogenabhängigen Brote dick mit Nutella oder Käse belegen, ihnen Tee, Klamotten und Gespräche schenken? Nicht? Aber das Bezirksamt Mitte berief sich dennoch auf „besonderes öffentliches Interesse“, als es dem Verein „Connection“ jetzt verbot, weiterhin Brote und Tee am Hauptbahnhof zu verteilen. Weil „das einen Nachahmungseffekt“ haben würde, wegen „in letzter Zeit ausufernden Betätigungen diverser Hilfseinrichtungen“ und natürlich, weil sich „Angehörige der offenen Drogenszene versammeln, um von dem Hilfsangebot Gebrauch zu machen“.

Otto und Anneliese Düring verstehen die Welt und vor allem das Bezirksamt nicht mehr. Vor gut sechs Jahren haben sie „Connection“, christliche Drogenarbeit im Diakonischen Werk, mitgegründet. Eine ehemals heroinabhängige Schwiegertochter und der Sohn, der inzwischen die Drogenambulanz in Harburg leitet, haben sie dazu gebracht. Sie verfolgen einen nichtakzeptierenden Ansatz, glauben, dass der Abhängige nur ohne Drogen frei sein kann und machen Therapie-Angebote. Etwa 15 Menschen schmierten jeden Freitagabend von 19 bis 22 Uhr Brote und suchten Gespräche.

Zuerst waren sie nicht auf die Idee gekommen, dass das genehmigt sein müsste. Darauf hat man sie irgendwann hingewiesen. Sie schrieben Anträge und bekamen Genehmigungen, mal für zwei Monate, mal länger. Dann sollten sie weg vom Hauptbahnhof. Das „Handlungskonzept St. Georg“ will die Szene hier nicht mehr haben. „Connection“ sollte nicht mehr unter dem Dach am Hachmannplatz stehen, sondern unter freiem Himmel gegenüber vom Museum für Kunst und Gewerbe.

„Da hat es oft geregnet, außerdem wurde uns gesagt, dass das Museum dagegen war“, erzählt Anneliese Düring. Also wieder umziehen: auf die Steintorbrücke beim Hauptbahnhof. „Auch da standen wir im Regen und außerdem am Fahrradweg“, klagt Düring, und so stellten sie sich – verbotenerweise – wieder unters Dach.

Das ging wochenlang gut, bis Polizisten Genehmigungen sehen wollte, die es nicht gab. Die Folge war eine „Untersagungsverfügung“ des Bezirksamtes Mitte. „Connection“ wird verboten, im Bezirk, besonders aber rund um den Hauptbahnhof, Speisen und Getränke zu verteilen. Zuwiderhandlungen kosten bis zu 50.000 Mark. „Connection“ hat Widerspruch eingelegt. Claudia Eggert, Sprecherin des Bezirksamtes-Mitte, begründet das Verbot so: „Auch gemeinnützige Vereine müssen sich an Spielregeln halten.“ Sondernutzungsgenehmigungen bezögen sich eben auf einen Ort, „Connection“ habe sich mehrfach nicht daran gehalten. Aber „wir sind gesprächsbereit“.

Das signalisierte gestern nachmittag auch das Bauamt, das dem Ehepaar Düring „einen Einigungsversuch“ anbot. Es bot noch einmal den Platz auf der Steintorbrücke an.

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