piwik no script img

Der Pferde-Adel zum Anfassen

■ Ein Spaziergang durch die kleine heile Welt von Rastede: Das Oldenburgische Landesturnier präsentiert 1.436 Pferde und mindestens ebenso viele Menschen, denen es dabei gut geht

Die knorrige Holzbank bietet einer Dame mittleren und einem Herrn fortgeschrittenen Alters einen guten Überblick auf ein einzigartiges Szenario. Hier der Springparcours, dort die Vierspänner, ein paar Meter weiter die Dressur und im Hintergrund zur Rechten das Schloss Rastede, zur Linken die Fontäne des Ellernteichs im Schlosspark. Nach einem kurzen Klönschnack wird die Dame abgeholt. Auf die Frage: „Wer war denn der nette ältere Herr?“ kommt die Antwort: „Das war Seine Königliche Hoheit, Herzog Anton Günther von Oldenburg.“ So was kann passieren – insbesondere beim Oldenburgischen Landesturnier in Rastede an diesem Wochenende.

Nicht zu Unrecht hatte der damals noch als Ministerpräsident fungierende Gerhard Schröder bei seiner Visite 1997 anläßlich des größten ländlichen Reitturniers in Deutschland das kleine Rastede als das Baden-Baden des Nordens bezeichnet. Hier trifft sich stets zum dritten Wochenende im Juli eines jeden Jahres die deutsche und internationale Reitsportelite mit der Basis. Denn das Landesturnier ist ein Breitensportereignis. Von der elfjährigen Julia Krajewski aus Nordhorn bist zum Doppel-Olympiasieger Ulrich Kirchhoff oder Derbysieger Achaz von Buchwaldt, vom Voltigieren über das Ponyreiten bis zu den Vierspännern, von der Materialprüfung bis zum Vielseitigkeits-Wettbewerb – kein Bogen, der in Rastede nicht gespannt würde.

Für 1.436 Pferde wurden 2.712 Startplätze reserviert, 118 Reit- und Fahrvereine messen sich an fünf Turniertagen im Rahmen von 72 Programmpunkten, 15 Championatsprüfungen und 23 Meisterschaftswettkämpfen.

Dennoch – es ist nicht der Wettkampf, der die einzigartige Atmosphäre dieses stets wohlorganisierten Reitsportfestes ausmacht. Doch um die auszumachen, sollte man sich schon einen, besser: zwei Tage Zeit nehmen.

Es ist ein Spaziergang durch eine kleine heile Welt, den man sich in Rastede gönnen kann. Unzählige schöne Pferde unter korrekten Reitern und adretten Amazonen auf einem Gelände inmitten des historischen Schlossparks. Man besichtigt die hergerichteten Vierspänner aus nächster Nähe, streichelt das eine oder andere Pferd, genehmigt sich dann eine Tasse Kaffee oder ein Glas Sekt. Hier sind die oberen Zehntausend nicht unter sich, hier dünkt sich jeder, einer von ihnen zu sein. Nippt am Sekt, zupft am Hut, fühlt sich groß. Und erkennt den einen oder anderen Promi.

Die gut 25.000 BesucherInnen, die jedes Turnierwochenende nach Rastede kommen, verteilen sich auf dem weitläufigen Areal. Nur wenn am Samstagabend die deutsche und internationalen Spitzenreiter zur Springprüfung antreten, ist rings um den Parcours kein Platz mehr frei. Und das ändert sich nicht bis zum großen Feuerwerk zu Mitternacht.

Claas E. Daun, Vorsitzender des ausrichtenden Renn- und Reitvereins Rastede, wird nicht müde zu betonen, dass das Landesturnier ein ländliches bleiben soll. Eine Gratwanderung, denn die Zahl der Meldungen nimmt von Jahr zu Jahr zu. Allein Paul Schockemöhle hat in diesem Jahr 91 Pferde nominiert – ein einsamer Rekord. Und ein großes Turnier braucht große Namen. Die kleine Julia verliert da an Bedeutung. Albert Rohloff

Ein paar Tips für das Wochende in Rastede: Sonnabend, 22. Juli – 12.15 Uhr: Vielseitigkeitsprüfung – Wegstrecke. Hier geht's ab in den Schlosswald. Wer gutes Schuhwerk dabei hat, erlebt Geländereiten aus nächster Nähe; 15 Uhr: Viererzug-Fahrprüfung – Hindernisfahren. Ein Kamel mag nicht durchs Nadelöhr passen. Aber wie die Vierspänner durch die Hindernisse laviert werden, das zu sehen ist schon ein Erlebnis; 19 Uhr: Springprüfung S. Hier wird's hochklassig: Ulrich Kirchhoff und Achaz von Buchwaldt am Start; 24 Uhr: Großes Feuerwerk. Für mehr als 20 Minuten wird der Schloßpark in Flammen gesetzt.

Sonntag – 13.30 Uhr: Dressurprüfung S. Mit am Start sind fünf erstklassige Dressur-Reiterinnen. Einen Favoriten gibt es nicht; 16.30 Uhr: Ponyspiel – Finale. Ab jetzt wird's lustig: Man weiß nicht, wer eifriger bei der Sache ist, die Ponys oder die Kinder; 17.35 Uhr: Voltigieren – Kürprogramm. Hier werden die Kinder auf den Geschmack gebracht; 17.45 Uhr: Aufmarsch der Reitvereine – Siegerehrung der Oldenburger Meister. Die Delegationen von 118 Reit- und Fahrvereine hoch zu Ross. Viele hundert Pferde auf dem Platz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen