: Ein Sonnengott mit langen Schatten?
■ Der Vorsitzende des finanziell angeschlagenen Vegesacker Kulturzentrums KITO, Hermann Krauß, agiert undemokratisch. Wichtige Schritte zur Rettung des KITO hat er ständig boykottiert – das behauptet Ex-Vorstandsmitglied Irmgard Farhi
Im Mai diesen Jahres hat Irmgard Farhi nach nur elf Monaten ihre Mitgliedschaft im Vorstand des KITO gekündigt. Kurz vor ihr hatte bereits Horst Schöfisch, mit ihr Edda Bosse diesen Schritt vollzogen. Das Trio zog damit die Konsequenz aus einer seit längerem schwelenden Konflikt mit dem ersten Vorsitzenden des KITO-Vorstands Hermann Krauß. Im taz-Interview erläutert Irmgard Farhi ihre Motive für den Rückzug aus dem KITO. Krauß, so ihre zentralen Kritikpunkte, praktiziere einen undemokratischen Führungsstil und blockiere alle Versuche, das KITO durch eine interne Reform wirtschaftlich rentabel zu machen. Die 52-jährige Farhi ist seit 13 Jahren Vorsitzende der musikalischen Nachwuchs in Bremen fördernden Hermann-Grevesmühl-Gesellschaft und im Vorstand der Kreismusikschule Osterholz. In der Vergangenheit hat sie selbst zwei Jazzclubs in Genf und Paris gegründet und geleitet.
taz: Frau Farhi, warum sind Sie im Mai aus dem Vorstand des KITO zurückgetreten?
Irmgard Farhi: Weil ich keine Grundlage mehr für eine weitere Zusammenarbeit mit dem ersten Vorsitzenden des KITO Herrn Krauß gesehen habe.
taz: Was haben Sie an Hermann Krauß auszusetzen?
Farhi: Herr Krauß praktiziert einen undemokratischen Führungsstil. Er hat permanent die legitimen Informationsbedürfnisse der anderen Vorstandsmitglieder missachtet. Zahlreiche Anregungen aus dem Vorstand, die angesichts der angespannten finanziellen Lage des KITO auf eine Änderung der hausinternen Politik gerichtet waren, wurden von Herrn Krauß beharrlich übergangen. Das ebenfalls ausgetretene KITO-Vorstandsmitglied Horst Schöfisch hat Krauß' Stil als „Führung nach Gutsherrenart“ charakterisiert. Das trifft die Sache sehr genau. Herr Krauß verfolgt seine eigenen Interessen ohne Rücksicht auf die Interessen anderer.
taz: Auf welche Vorkommnisse während Ihrer Zeit als KITO-Vorstand beziehen Sie sich damit?
Farhi: Alle Versuche meinerseits, Transparenz in die Politik des KITO zu bringen etwa durch Einsichtnahme in den Schriftverkehr zwischen Herrn Krauß und der Kulturbehörde oder anderen relevanten Personen oder Einrichtungen wurden von Krauß regelrecht boykottiert. Auch meine bei vielen Zusammentreffen mit ihm formulierte Aufforderung, er möge den Vorstand doch teilnehmen lassen an Treffen, die er als Vorstandsvorsitzender im Namen des KITO mit möglichen Sponsoren oder Kooperationspartnern durchführte, blieben ohne jede Resonanz. Herr Krauß agierte nach dem Motto „Le KITO c'est moi!“.
taz: An welche Verhandlungen denken Sie da?
Farhi: Ich denke dabei an die schwierigen Haushaltsverhandlungen in diesem und im letzten Jahr mit der Kulturbehörde. Ich denke an die Verhandlungen, die Herr Krauß ohne Rückspache mit dem Vorstand mit dem Kulturbahnhof Vegesack (Kuba) geführt hat, wo es immerhin um Fragen der Kooperation zwischen KITO und Kuba ging. Und ich denke nicht zuletzt an den Beirat Vegesack, wo es im März eine sehr wichtige Sitzung gegeben hat, bei der über die Zukunft des KITO und des Kuba debattiert wurde. Herr Krauß hat den Vorstand nicht darüber informiert, dass der Beirat diesen Punkt auf der Tagesordnung hat. Er ist dann selber nicht einmal zu diesem Beiratstreffen gegangen und hat, als Gipfel der Unverfrorenheit, den Vorsitzenden des KUBA Udo von Stebut autorisiert, im Namen des KITO reden zu dürfen. Das war eine unglaubliche Brüskierung von mir als stellvertretender KITO-Vorsitzenden sowie des gesamten Vorstands.
taz: War der Gesamtvorstand denn darüber informiert, dass Verhandlungen zwischen KITO, Kuba und der Kulturbehörde laufen?
Farhi: Der Vorstand wusste von den Verhandlungen. Ihm war auch bekannt, dass es dabei darum ging, die Möglichkeiten von Kooperationen auszuloten. Aber über die konkreten Verhandlungsinhalte war der Vorstand trotz vielfacher Intervention von Frau Bosse, Herrn Schöfisch und mir nicht informiert. Nicht einmal der KITO-Geschäftsführer Claus Hößelbarth durfte an den Gesprächen teilnehmen. Für Krauß sind er und der Vorstand identisch. Das hat er nie anders gesehen.
taz: Warum hat Krauß niemanden an den Verhandlungen partizipieren lassen?
Farhi: Weil er das zu seiner persönlichen Geheimsache erklärt hat.
taz: Wie hat er das begründet?
Farhi: Er sei zur Verschwiegenheit verpflichtet, um die Verhandlungen nicht zu gefährden.
taz: Haben Sie in der Behörde nachgefragt, ob diese Verhandlungen tatsächlich so geheim waren?
Farhi: Selbstverständlich. Der Behördenvertreter hat in Anwesenheit des gesamten Vorstands unmissverständlich erklärt, dass es keinen Grund zur Geheimhaltung gab.
taz: Das KITO befindet sich zurzeit in einer extremen finanziellen Notsituation. Krauß hat erklärt, sinkendes Zuschauerinteresse und ein hohe Verluste produzierendes, teures Programm, für das Claus Hößelbarth allein verantwortlich war, hätten die Not erzeugt und die Trennung von Hößelbarth unvermeidlich gemacht. Deckt sich diese Analyse mit Ihrer Wahrnehmung?
Farhi: Nein. Das Zuschauerinteresse ist nicht gesunken; Januar und Februar 2000 waren die besucherstärksten Monate seit Bestehen des KITO. Sicherlich war das Programm teuer. Aber die unbestritten hohe Qualität der KITO-Konzerte hat nunmal ihren Preis, der durch die Einführung der „Ausländersteuer“ für ausländische Musiker nicht geringer geworden ist. Ein Großteil der Künstler im KITO kommt aus dem Ausland und wird in Dollar bezahlt. Wie hoch der Dollarkurs seit Jahren steht, weiß jeder. Dass Hößelbarth als Geschäftsführer eine Verantwortung für die finanzielle Situation hat, ist unbestritten. Dass er aber der Hauptschuldige sein soll, wie Krauß nun öffentlich behauptet, ist schlicht unsinnig. Der Vorstand und insbesondere der Vorstandsvorsitzende tragen die Hauptverantwortung für die missliche Schuldensituation. Hößelbarth ist Programmmacher, kein gelernter Betriebswirt. Das wusste der Vorstand immer und hätte entsprechend dafür sorgen müssen, dass Hößelbarth in finanziellen Fragen unterstützt wird. Das ist nie geschehen. Zugleich sind alle wichtigen Finanzentscheidungen mit Hermann Krauß abgesprochen gewesen. Hier plötzlich die eigene Verantwortung zu leugnen und zu sagen, Hößelbarth habe das KITO ruiniert, ist dreist. Das größte Problem des KITO aber war ein internes: Die Einnahmesituation wurde nicht verbessert, obwohl Hößelbarth schon im Sommer 1997 Pläne vorgelegt hat, wie das zu bewerkstelligen wäre.
taz: Welche Pläne meinen Sie?
Farhi: Die ehemaligen Glaswerkstätten im Erdgeschoss des KITO sind seit drei Jahren ungenutzt, stehen in den Haushaltsplänen aber immer mit kalkulierten Mieteinahmen von 30.000 Mark jährlich, obwohl kein Mieter in Sicht war und ist. Hößelbarth hatte vorgeschlagen, dort einen zweiten Veranstaltungsraum einzurichten, wo ein populäreres Kulturprogramm in Kombination mit einem gastronomischen Angebot ihren Ort haben sollten. Damit hätte das KITO stärker junge Leute ansprechen und gleichzeitig die nach den Konzerten immer wegströmenden Menschen im Haus halten können.
taz: Warum ist es dazu nicht gekommen?
Farhi: Krauß hat in jeder Vorstandssitzung einen Beschluss zur Umnutzung der Glaswerkstätten verhindert und boykottiert. Sein Standpunkt war, die Stadt solle die reparaturbedürfti-gen Werkstätten mit viel Geld in Stand setzen, die Betriebskosten zur Verfügung stellen und die Miete zahlen. Jeder, der die Haushaltssituation Bremens kennt, der weiß, wie unrealistisch diese Forderungen sind, die Krauß nach dem Rausschmiss von Hößelbarth ja erneut als Rettung für das KITO propagiert hat.
taz: Gab es seitens der Stadt jemals ein Signal, die Krauß' Hoffnungen genährt hätten?
Fahri: Nicht dass ich wüsste. Krauß hat zwar immer in den Vorstandssitzungen gesessen und behauptet, er habe entsprechende Signale aus dem Wirtschaftressort, aus dem Kulturressort – aber die angeblichen Signalgeber konnte er nie beim Namen nennen.
taz: Könnte es sein, dass Krauß sich gegen eine eigene KITO-Gastronomie gewehrt hat, weil er sich nicht selbst Konkurrenz machen wollte? Immerhin ist er der Eigentümer des Gebäudes direkt gegenüber vom KITO, in dem sich ja auch ein Lokal befindet ...
Farhi: Da müssen Sie Herrn Krauß fragen, ob das sein Motiv ist.
taz: Für Außenstehende mutet es seltsam an, dass ein immerhin siebenköpfiger Vorstand so sehr dominiert werden kann von einer Person.
Farhi: Der Vorstand des KITO ist kein demokratisches Gremium, wo gleichberechtigte Mitglieder miteinander debattieren und sich am Ende das Vernünftigste durchsetzt. In diesem Vorstand siegt immer der Vorsitzende Krauß ...
taz: Weil der restliche Vorstand so schwach ist?
Farhi: ... ja, deshalb, aber auch, weil Krauß eine besondere Position schon deshalb einnimmt, weil sich die Gründung des KITO ja seiner Initiative verdankt und er sich in der Folge immer wieder verdient gemacht hat um das Haus. Für Krauß selbst gibt es keine Differenz zwischen ihm und dem KITO, und jeder Vorstand hätte mit diesem Selbstbild zu kämpfen.
taz: Krauß hat gegenüber der Presse erklärt, das Jahr 1999, in dem auch Sie ab Juni Teil des Vorstands waren, sei das schwierigste für das KITO gewesen. Allein in 1999 seien 100.000 Mark Schulden aufgelaufen. Können Sie uns das erklären?
Farhi: Das kann ich nicht erklären. Trotz der unbestritten zunehmenden Schwierigkeiten, Menschen zum Konzertbesuch zu motivieren, waren die Besucherzahlen jedenfalls nicht rückgängig. Trotz ständig steigender Kosten hat es Möglichkeiten gegeben, höhere Einahmen zu erzielen. Das ist nunmal unterlassen worden.
taz: Krauß hat gegenüber der taz dementiert, dass im endgültigen Haushalt des KITO für 1999 unter der Rubrik „Sponsoring“ eine Summe von 110.000 Mark ausgewiesen worden ist, weil Krauß behauptet hatte, er habe die Zusage des Haven-Höövt-Investors Michael Albrecht über eine Spende in Höhe von 100.000 Mark. Das Geld ist in Wirklichkeit nie geflossen. Wissen Sie, ob im KITO-Haushalt die Albrecht-Spende eingestellt worden ist und am Ende des Jahres dann als gewaltiges Haushaltsloch wieder auftauchte?
Farhi: Krauß kann das dementieren, aber dadurch wird es nicht richtig. Im Haushalt 1999 tauchen die 110.000 Mark auf. 10.000 Mark hat Hößelbarth akquirieren können. Für den Restbetrag hat Krauß die Albrecht-Spende in Aussicht gestellt. Hätte Krauß nicht glaubhaft vor mehreren Zeugen versichert, dass Albrecht bereit sei, das Geld zu zahlen, wäre die Summe natürlich auch nicht im Haushalt aufgetaucht. Das war alles sehr dubios...
taz: Halten Sie denn den Weg für seriös, mit dem Krauß nun versuchen will, das KITO zu retten? Geplant ist ja ein Abbau des teuren Jazz-Angebots zugunsten von preiswerten Podiumsdiskussionen und Vorträgen.
Farhi: Das ist völlig unseriös. Wenn, wie in der Zeitung zu lesen stand, Krauß meint, mehr Zuschauer ins KITO zu kriegen mit Debatten über die Zukunft der Kirche, obwohl ein unbestritten erstklassiges, konkurrenzloses Jazzprogramm schon nicht genügend Leute gezogen hat, dann wundert mich das schon sehr. Diese Leute müssen ja Geld in die Kasse spielen, müssen also Eintritt zahlen wollen. Für Diskussionen über die Kirche fährt aber niemand extra nach Vegesack. Das ist illusorisch.
taz: Haben Sie inzwischen den neuen KITO-Geschäftsführer Stefan Linke kennen gelernt?
Farhi: Ja.
taz: Halten Sie ihn für kompetent genug, um dem KITO eine neue, qualitativ hochstehende und einträgliche Programmstruktur zu verleihen?
Farhi: Nein.
taz: Wäre denn das Programm des KITO in der Vergangenheit mit weniger Geld nicht machbar gewesen? Wurde Geld verschwendet?
Farhi: Doch, es wäre möglich gewesen, auch mit weniger Geld ein gleich gutes Programm zu machen. Aber im Nachhinein sagt sich sowas immer sehr leicht. Für ein Konzert fallen ja nicht nur Musikerhonorare an. Die Künstler müssen auch untergebracht, befördert und verpflegt, Instrumente müssen gemietet und transportiert werden. Man kann sagen, es war Verschwendung, dass die Künstler gut behandelt wurden im KITO, schön untergebracht waren und gut gegessen haben. Es ist sehr viel Geld für diese Dinge ausgegeben worden. Aber auf der anderen Seite hatte das den Effekt, dass die tollsten Konzerte im KITO stattgefunden haben und dass alle gerne wiedergekommen sind – auch zu niedrigeren Gagen, als sie hätten verlangen können. Man hätte sparsamer arbeiten können, wenn Hößelbarth von Anfang an jemanden unterstützend an seiner Seite gehabt hätte, der sein Augenmerk auf die Kostenrechnung gelegt hätte. Das ist nie passiert. Er wurde im Stich gelassen. Fragen: Franco Zotta
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen