piwik no script img

„Die Möglichkeit für eine neue linke Opposition“

Dieter Hummel (44) war zur Wende Vorstandsprecher der Grünen in Baden-Württemberg. Der in Stuttgart geborene Rechtsanwalt wollte den Realo-Landesverband nach links ziehen. 1990 trat er aus der Partei aus und zog nach Berlin. Heute ist er im Bundesvorstand der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen.

„Ich war 1990 noch in Baden-Württemberg, aber auch schon viel in Berlin. Es war schnell klar, dass man gegen die Wiedervereinigung nichts machen kann. Aber die spannende Frage war doch, wie man sich mit einer linken Opposition in diesem neuen Deutschland einrichtet. Für mich war das eine Aufbruchszeit, weil es die Möglichkeit gab, eine neue linke Opposition zu etablieren. Etwas, das über das, was die Grünen damals schon gemacht hatten, hinausging. Da war natürlich ein starker Bezug auf die PDS. Ich kam ja aus der schwäbischen Provinz, und es war einfach spannend, was für eine Debattenstruktur es in der DDR-Opposition gegeben hat, die in ihrer ganzen Aufdifferenzierung auch etwas Gemeinsames hatte. Es war aufregend, zusammen zu überlegen, was man machen kann. Es gab viele Debatten über Strukturformen und über den MfS als Trennlinie oder Nichttrennlinie. Für mich war das sowohl persönlich als auch politisch eine Chance. Die Atmosphäre war offen, aber auch – aus heutiger Sicht betrachtet – ziemlich illusionär. Man war interessiert aneinander. Es gab nicht diese ganz klar abgegrenzten Positionen, wie es sie sonst in der Linken gibt. Es gab zwar viele Missverständnisse zwischen Ost und West, aber besonders in der Husemannstraße haben wir sehr gleichberechtigt miteinander diskutiert. Irgendwann war der Gysi-Schmelz aber ab, es gab eine sehr große Desillusionierung über die PDS. Insbesondere in Debatten um Polizei und Geheimdienst, die vor allem in der Abgeordnetenhausfraktion der PDS liefen. Darin konnte ich mich nicht wiederfinden. Da war schnell klar, dass ist es nicht. Meine Vorstellungen von linker Politik hatten nicht viel damit zu tun, weshalb die PDS im Osten gewählt wurde und für das sie stand.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen