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die erste green cardDer Multikulti-Nationalismus

Die letzten Bilder der Fußball-EM haben auch in Deutschland beeindruckt: die jubelnden Franzosen auf den Champs-Elysée, die ihre Nationalmannschaft feierten. Eine Mannschaft, die überwiegend aus Einwanderern besteht. Und diese Mannschaft wurde nicht trotzdem gefeiert – sondern deswegen. Die Franzosen waren plötzlich stolz, ein Land der Einwanderer zu sein.

Kommentarvon ULRIKE HERRMANN

Ein Integrationsmodell auch für Deutschland? Gestern wurde die erste Green Card an einen indonesischen Informatiker überreicht – und die Parallelen scheinen schlagend. So wie die Einwanderer den „Sportstandort“ Frankreich nachhaltig gefördert haben, so sollen die Green-Card-Besitzer den „Wirtschaftsstandort“ Deutschland international voranbringen. Wundersam lassen sich Multikulti und Nationalismus verbinden.

Das müsste doch auch den Rechtsradikalen einleuchten! Von Anfang an verband sich daher mit der Green Card die Hoffnung, dass Einwanderung endlich positiv konnotiert werden könnte. Dazu gehört als logische Kehrseite: Rechtsradikal dominierte Landstriche im Osten können auf Wirtschaftsentwicklung nicht mehr hoffen. Keine ausländischen Touristen, keine ausländischen Investoren, keine ausländischen Experten. Rechtsradikalismus als neuer Standortnachteil.

Hart getrimmte Rechtsradikale dürfte dies nicht beeindrucken – ganz sicher aber ihr sympathisierendes Umfeld, ohne das sie nicht agieren können.

Der Einwanderer als Konkurrenzvorteil: Dieses zynische Nützlichkeitskalkül ist scheinbar tatsächlich das Einzige, was im Kampf gegen rechts hilft – und hat sich daher zu einer festen rhetorischen Figur entwickelt, die in kaum einer öffentlichen Ermahnung von Politik und Wirtschaft fehlt.

Doch ist der politische Preis dafür hoch, zu hoch. Denn dahinter steht eine subtile und gefährliche Unterscheidung – zwischen erwünschten ausländischen Spezialisten und „unnützen“ Immigranten, dem Flüchtling. Still wird damit ein Menschenrecht bedroht – das Recht des Ausländers, als Mensch wahrgenommen zu werden (und nicht nur als Standortfaktor).

So weit sind die Rechtsradikalen und ihr Umfeld auch schon. Der Multikulti-Nationalismus als Argument funktioniert nur, weil er die Werte der Rechten unterschwellig übernimmt.

Im Kampf gegen rechts gibt es keine Alternative. Die wehrhafte Demokratie muss das Grundgesetz durchsetzen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

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