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Bananen bringen Europa vorerst Frieden

Bundesverfassungsgericht überlässt Europäischem Gerichtshof Grundrechtsschutz gegenüber EU-Akten. Vorlage des Frankfurter Verwaltungsgerichts, dass EU-Bananenordnung gegen Grundgesetz verstoße, ist daher unzulässig

FREIBURG taz ■ Auf diese Entscheidung mussten die Richter lange warten. Schon 1996 hatte das Frankfurter Verwaltungsgericht in Karlsruhe nachgefragt, ob die EU-Bananenmarktordnung nicht gegen deutsche Grundrechte verstoße und deshalb gestoppt werden müsse. Jetzt endlich hat Karlsruhe geantwortet: Schon die Frage sei „unzulässig“. Für den Grundrechtsschutz gegen Rechtsakte der EU sei nämlich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zuständig. Die immer wieder herbeigeschriebene Rebellion des Verfassungsgerichts gegen die Luxemburger Kollegen ist ausgeblieben.

Die Aufregung ist nur verständlich, wenn man die Vorgeschichte kennt: 1993 hatte das Bundesverfassungsgericht den Maastrichter Vertrag zwar akzeptiert, aber ein eigenes Prüfungsrecht für EU-Rechtsakte reklamiert. Karlsruhe sei zuständig für den Grundrechtsschutz „in Deutschland und nicht nur gegenüber deutschen Staatsorganen“, hieß es im so genannten Maastricht-Urteil.

Viele Europaskeptiker sahen das als Einladung, vermeintliche Grundrechtsverstöße oder Kompetenzüberschreitungen der EU-Organe in Karlsruhe überprüfen zu lassen. EU-Befürworter warnten dagegen vor einer schweren EU-Krise, sollten sich die obersten Richter explizit über Urteile des Europäischen Gerichtshofes hinwegsetzen. Vor allem im Hinblick auf die Einführung des Euro hoffte oder befürchtete man, dass das deutsche Verfassungsgericht eingreifen könnte.

Als Testfall für die neue Karlsruher Machtherrlichkeit wurde allenthalben die 1993 in Kraft getretene EU-Bananenmarktordnung angesehen. Deutsche Importeure fühlten sich benachteiligt, weil sie weniger US-Bananen einführen konnten als früher. Da ihre Klage beim EuGH keinen Erfolg hatte, hofften sie nun auf das Bundesverfassungsgericht. Auch das Verwaltungsgericht Frankfurt forderte Karlsruhe auf, die Bananenordnung für unanwendbar zu erklären. Doch Karlsruhe ließ die brisante Vorlage erst einmal liegen.

Auch gegen die Euro-Einführung wollte das Gericht 1998 nichts mehr einwenden, nachdem selbst die Bundesbank der Währungsunion zugestimmt hatte. Und als zum Jahreswechsel auch noch Paul Kirchhof, der „Vater“ des Maastricht-Urteils, das Verfassungsgericht verließ, rechnete kaum noch jemand mit einer Sensation.

Tatsächlich erklärte Karlsruhe den Frankfurter Richtern nun schulmeisterlich, dass der Grundrechtsschutz durch EU-Rechtsakte auch künftig vom EuGH gewährt werde. Das Verfassungsgericht will nur einschreiten, wenn der EuGH „generell“ keinen ausreichenden Rechtsschutz mehr biete.

Das konnten die obersten Richter so natürlich nicht vortragen, ihre Kritik bezog sich denn auch nur auf die Bananenordnung. Eine Abkehr vomMaastricht-Urteil ist darin nicht zu sehen. Denn dort war das „Kooperationsverhältnis“ zwischen EuGH und Bundesverfassungsgericht genauso definiert.

Die Frankfurter Verwaltungsrichter hätten das Urteil wohl „missverstanden“, stichelte nun der Zweite Senat in Karlsruhe. Dabei stehen die heikelsten Punkte im Verhältnis der Gerichte in Karlsruhe und Luxemburg weiter im Raum: Das Verfassungsgericht hatte sich nämlich weniger Zurückhaltung auferlegt, wenn es um Kompetenzüberschreitungen der EU-Organe geht – will heißen, wenn diese in Bereichen tätig werden, die ihnen eigentlich verschlossen sind. Solche „ausbrechenden EU-Akte“ seien für Deutschland „nicht bindend“, schrieben die Richter in ihrem Urteil von 1993. Diese Drohung steht nach wie vor im Raum. CHRISTIAN RATH

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