: Gestresste Wunder
Ohne Gentechnik: Bauer in der Nordheide findet Tausende von Super-Roggenhalmen ■ Von Karin Toben
Ins Guinnessbuch der Rekorde zu kommen, ist für viele ein Traum. Ein Bauer aus Ramelsloh in der Nordheide will es mit Roggenähren versuchen. Ewald Köster fand auf einer Anbaufläche von 17.000 Hektar (etwa 17.000 Fußballfelder) exakt 1765 Halme mit zwei Ähren, 38 mit drei, zwei mit vier und sogar einen Halm, aus dem fünf Ähren wuchsen. „Das ist mir ein völliges Rätsel. Es kann weder am Boden noch an der Saat oder am Pflanzenschutz liegen“, ist sich der Schweinemäster sicher. Die Wunderähren findet der 73-Jährige viel zu schade zum Mahlen: „Daraus können die Landfrauen ja schöne Gestecke machen.“
Während der Altbauer und sein Sohn sich noch ausgiebig wundern, wie aus 90 Prozent „Fernando“-und zehn Prozent „Nikita“-Saat sich derartige Roggenfrüchte entfalten konnten, hat das Saatzuchtunternehmen Lochow-Petkus aus Bergen (Kreis Celle) eine Erklärung parat. Das Mirakel habe sich auf dem mit nur zwanzig Bodenpunkten mageren „Karnickelsand“ von Bauer Köster nur in einem so extremen Anbaujahr wie diesem entwickeln können, sagt Fachberater Axel Siebert. Der viel zu geringe Regen seit Ende April und die darauf folgende Hitze habe dem Roggen „Stress“ bereitet. Die Pflanzen hätten darauf mit ihren Mitteln reagiert und „Vorsorge“ für drohende schlechte Zeiten betrieben, indem sie Überproduktion zur Artsicherung wachsen ließen, sagt Siebert.
Denkbar sei auch, dass der Bauer bei Hitze Halmstabilisatoren einsetzte, damit der Roggen als längste Getreideart bei „Mistwetter“ nicht umfalle. „Die Superähren sind allein ackerbauliche Jahreseffekte und nicht saatgutabhängig“, ist sich Siebert sicher. „Bauer Köster war bislang bundesweit der einzige, der solche Phänomene fand.“
Ewald Köster hat in den Fünfziger Jahren noch miterlebt, wie das Getreide mit der Sense gemäht wurde: „Da war schon mal eine Doppelähre dabei. Das war wie der Fund eines vierblättrigen Kleeblatts.“ Wer am Ende des Sommers die meisten davon hatte, sei „Erntekönig“ geworden, erinnert sich der 73-Jährige. Als die Zeit der automatischen Mähbinder kam, sei es allerdings vorbei gewesen mit dem Ausschau halten nach den „Doppelkörnern“.
Von einer Aussaat der „Findlinge“ habe ihm die Landwirtschaftskammer abgeraten: „Die sind nicht genmanipuliert. Das würde nichts werden.“
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