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Kartellamt rettet freie Tanken

Mineralölkonzerne dürfen Benzin an den eigenen Zapfsäulen nicht mehr billiger verkaufen als an freie Tankstellen. Ölmultis: Unhaltbarer Eingriff in die Marktwirtschaft

HAMBURG/BONN dpa ■ Das Bundeskartellamt bremst die deutschen Mineralölkonzerne, um den Mittelstand zu schützen. In einer am Donnerstag in Bonn verbreiteten Verfügung verbietet die Behörde den Unternehmen, ihren Sprit an der Raffinerie teurer zu verkaufen als an der Tankstelle.

„Die freien Tankstellen werden von den Konzernen unbillig behindert“, sagte Kartellamts-Präsident Ulf Böge in Bonn. „Sie können bei der Preispolitik der Konzerne von vornherein keine Marge erzielen und werden dadurch in ihrer Existenz gefährdet.“ Sein Amt habe ermittelt, dass der Benzinpreis an der Raffinerie bis zu zwölf Pfennig je Liter höher liege als an der Zapfsäule für den Autofahrer.

Betroffen von der Verfügung des Kartellamtes sind die Konzerne DEA, Aral, Esso, Shell, BP und Elf. Die Unternehmen reagierten zum Teil mit Empörung und Unverständnis auf die Verfügung und kündigten rechtliche Schritte an. „Wir halten die Verfügung für grotesk und rechtswidrig“, sagte Wolf-Rüdiger Grohmann von der Deutschen BP in Hamburg. Die Deutsche Shell erklärte, der Beschluss der Kartellamtes sei ein in der Geschichte der Bundesrepublik einmaliger Eingriff in die Marktwirtschaft. Shell werde mit allen rechtlichen Mitteln gegen die „unhaltbare Maßnahme“ des Kartellamtes angehen.

Ausgangspunkt für das Kartellverfahren ist der Preiskampf an den deutschen Tankstellen, der im März dieses Jahres einsetzte. Bislang hat der Preiskampf die Branche deutlich mehr als eine Milliarde Mark gekostet. Die mittelständischen Tankstellen, die nicht über das Finanzpolster der Großen verfügen, schalteten daraufhin das Kartellamt ein, das nach rund drei Monaten und mehreren Anhörungsverfahren die Verfügung erließ. „Wenn der Mittelstand vom Markt gedrängt wird, geht mittel- und langfristig der Wettbewerb verloren“, sagte Böge. Das gehe am Ende zu Lasten der Verbraucher.

Die Entscheidung des Kartellamtes ist sofort vollziehbar. Auch wenn die betroffenen Konzerne Widerspruch einlegen oder klagen, so haben diese Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung. Böge begründete diese Auflage mit der unmittelbaren Gefährdung der Wettbewerbsstrukturen. Mittelständische Tankstellen hätten bereits schließen müssen.

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