Fernsehsessel statt Fankurve

110.000 Saisontickets und ein verlängertes Sonderangebot: Die Bundesliga soll endlich den Durchbruch für Premiere World bringen. Dabei steht sich die Kirch-Gruppe selbst im Weg – der gefährlichste Konkurrent bleibt Sat.1 mit „ran“

von STEFFEN GRIMBERG

Jetzt geht’s lo-hos: Heute soll die erste TV-Konferenzschaltung in der Geschichte der Bundesliga den Knoten durchschlagen, der seit 1996 den kometenhaften Aufstieg des Bezahlfernsehens in Deutschland blockiert hat. Alle 306 Ligaspiele live, Vorberichte, Nachbereitiung, Highlights – soviel Fußball war noch nie: Der Kaiser freut sich, der Völler-Rudi auch, der Herr Basler sowieso – vor so viel guter Laune gab es kein Entrinnen auf den Plakatwänden der Republik.

Doch die Kampagne kam spät, zu spät, meinen manche Werbeprofis: Über 110.000 „Saisontickets“, die freien Blick auf alle Liga-Begegnungen gestatten, sind zum Wochendende verkauft – es laufe gut, heißt es bei Premiere. Nur offenbar nicht gut genug: Der Einführungspreis von 299 Mark für die Saison wurde um eine Woche bis zum 17. August verlängert, und auch die Bundesliga musste noch mal ran: Per Rundbrief legten alle Klubs ihren Mitglieder das Premiere-Abo wärmstens ans Herz, nur die Frankfurter Eintracht und der HSV bockten. Schließlich fehlen die Dauerkärtler mit der Lizenz zum Zappen am Ende vielleicht im eigenen Stadion.

„Wir haben in der Tat Erwartungen an Premiere World“, gab sich Kirch-Vize Dieter Hahn zum Monatsanfang zugeknöpft, und wie gehabt bleibt die Auskunftsfreude auch beim Sender selbst mäßig: „Aktuelle Abonnentenzahlen“, beschied Premieresprecher Arnold C. Kulbatzki, gebe es frühestens zum Quartalsende.

Doch auch daran glaubt in der Branche niemand: Seit Jahresanfang gibt Deutschlands einziges Bezahlfernsehen stoisch 2,2 Millionen Kunden an, bis zum Dezember sollen es mindestens 700.000 mehr werden. Wie viele der 110.000 Saisonkarten der Kirch Pay-TV KG jetzt tatsächlich neue Kunden bescheren oder bloß ein „Upgrade“ bestehender Abos sind, bleibt unklar.

„Die Stunde der Wahrheit kommt im Herbst“, mit entwaffnender Offenheit sagt Kirch-Geschäftsführer Jan Mojto, was andere nicht zu denken wagen: Die endgültige Abrechnung mit dem ungleichen Partner Rupert Murdoch, der rund ein Viertel der Premiere-Anteile sein eigen nennt, kommt zwar erst 2002. Dann muss der Sender mindestens vier Millionen Abonnenten haben und schwarze Zahlen schreiben. Gelingt dies nicht, kann sich Murdoch entweder auszahlen lassen (plus Zinsen, versteht sich) – oder die Kirch-Pay-TV-Tochter komplett übernehmen. Derzeit wartet Murdoch gelassen ab, von hochkarätiger Unterstützung für die deutschen Freunde kann kaum die Rede sein.

Vielleicht ist er auch nur ähnlich ratlos wie Kirchs Mannen selbst: Denn der Aufstieg von Murdochs Bezahlfernsehen BSkyB zur erfolgreichsten Pay-Plattform Europas funktionierte dank einer ganz einfachen Rechnung: Spitzenfußball gab es nur hier, andere Sender durften nicht einmal zeitversetzt Zusammenfassungen zeigen.

Kirch dagegen kannibalisiert sich munter selbst: Selbstverständlich, sagt Hahn, muss Bundesligafußball ein „Kernprogramminhalt“ von Sat.1 bleiben. Schon deshalb, weil sonst der endgültige Quoteneinbruch und damit ein Werbe-GAU bei Kirchs Free-TV-Flaggschiff drohen. Gemäß der hausinternen Subventionsstrategie darf Sat.1 allerdings für weniger Senderechte deutlich mehr bezahlen, selbst die Free-TV-Zusammenfassung des Samstagabendspiels zeigt künftig das ZDF im „Sportstudio“. Und die zweite Liga bleibt wie gehabt dem Deutschen Sportfernsehen vorbehalten, Eigentümer: die Kirch-Gruppe.

Spielfilme und Sex, andernorts neben dem Sport die beiden Hilfsmotoren des Pay-TV, helfen auch nicht weiter: Zwar hat die Kirch-Gruppe exklusive Deals mit den meisten Hollywood-Studios. Doch die sind so teuer, dass so mancher Streifen auch an die Konkurrenz von ARD bis RTL verkauft werden muss. Und dann ist da ja noch Pro 7, der frei empfangbare, Kirch-eigene – nun ja: Spielfilmsender. Schade, eigentlich. Denn selbst Sex fällt aus: Während der französische Pay-TV-Marktführer Canal + seine erste Abonnenten-Million dem traditionell am späten Samstagabend gesendeten Hardcore-Porno verdankt, lag Premiere schon wegen seiner müden Softsex-Streifen häufig genug mit den Landesmedienanstalten im Clinch.

Bleibt also die Bundesliga. Live und in voller Größe. Der Fan ist sein eigener Programmdirektor, ganz nach dem Premiere World-Schlachtruf „Your Personal TV“. Wäre da nicht die Versuchung, stets den Highlights hinterherzuzappen und so überall zu spät zu kommen. Denn so könnte die schöne neue Fußballwelt glatt ins Aus gehen: Alle Spiele, keine Tore.