: Verbieten allein reicht nicht
Einige Bundesländer wollen die viel beklagten Defizite in den Elternhäusern durch mehr Aufklärungsarbeit in den Schulen ausgleichen
von unseren Korrespondenten
Bislang hat Otto Schilys „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ im Kampf gegen rechts noch nichts geleistet, außer einer pompösen Gründungsfeier im Mai. Das soll sich ändern. In gut zwei Wochen will die Bundesregierung ein Konzept präsentieren, wie Courage und Mut gegen den Rechtsradikalismus staatlich gefördert werden sollen. Über die Einzelheiten schweigen sich die zuständigen Ministerien Inneres, Jugend und Justiz offiziell noch aus.
Eine Neuauflage der akzeptierenden Jugendarbeit sei ausgeschlossen, heißt es intern. Die Bundesregierung setzt auf die Unterstützung lokaler Projekte. In welcher Weise der Staat seine Hand über sie legt, wird Kanzler Schröder erst Ende des Monats verkünden, nachdem er von seiner zweiwöchigen Inspektionsreise durch den Osten zurückgekehrt ist.
Grünen-Chefin Renate Künast ist bereits jetzt unterwegs. Zum Auftakt einer zweitägigen Reise durch Sachsen-Anhalt warnte sie gestern in Dessau erneut davor, die Diskussion um die Bekämpfung des Rechtsextremismus auf mögliche Parteienverbote zu beschränken. Ein NPD-Verbot hatte Künast am Sonntag als „absoluten Quatsch“ bezeichnet.
Während sich wegen des möglichen NPD-Verbots ein rot-grüner Streit auf Bundesebene abzeichnet und weitere Maßnahmen erst nach Schröders Ost-Tour verkündet werden sollen, bemühen sich verschiedene Landesregierungen bereits jetzt, nachzuweisen, dass sie den Worten Taten folgen lassen.
So will Sachsen-Anhalts Regierung den Kampf gegen rechts vor allem in den Schulen und auf dem Land intensivieren. Innenminister Manfred Püchel (SPD) kündigte weitere Fortbildungsmaßnahmen für Lehrer an. Die viel beklagten Defizite in den Elternhäusern sollen durch die Verbesserung der politischen Bildung ausgeglichen werden.
Außerdem unterstützt Sachsen-Anhalt mit rund 1,7 Millionen Mark jährlich die Arbeit des privaten Vereins „Miteinander“, der den Schwerpunkt seiner Aufklärungs- und Beratungsarbeit künftig in ländlichen Regionen setzen will. Viel mehr ist offenbar nicht drin. „Eine weitere Mittelvergabe ist derzeit nicht geplant“, erklärte eine Sprecherin der Regierung gestern, die außerdem betonte: „Prävention ist nicht alles.“ Durch den „erhöhten Ermittlungsdruck“ der Polizei und einer „Sonderermittlungsgruppe Rechts“ habe es seit vergangenem Jahr bereits einen leichten Rückgang rechtsextremer Straftaten gegeben.
Auch in Brandenburg verweist das Innenministerium darauf, dass die Zahl der rechtsextrem motivierten Straftaten durch verstärkte Polizeiarbeit zurückgegangen sei. Das Bildungsministerium organisiert eine Initiative „Tolerantes Brandenburg“. Daneben gibt es ein weiteres „Bündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“. Es unterstützt vor allem ländlicher Projekte und will einzelne Initiativen miteinander verknüpfen. Für beide Projekte stehen jährlich 3,25 Millionen Mark zur Verfügung.
Nordrhein-Westfalen will mit einem „Aktionsprogramm der Landesregierung gegen rechte Gewalt“ dem Rechtsextremismus zu Leibe rücken. Das Düsseldorfer Kabinett berät heute über das Maßnahmenpaket. Innenminister Fritz Behrens (SPD) will unter anderem vorschlagen, eine Datei „Rechtsextreme Gewalttäter“ einzurichten, vergleichbar der „Gewalttäter Sport“-Datei für die Fußball-Hooligan-Szene. Auch die im Hooligan-Milieu bereits erprobten „Hausbesuche“ sollen auf die Rechtsextremisten-Szene ausgeweitet werden. Unter dem Motto „Aktion NRW gegen Rechts“ sollen nach Vorstellung des Innenministers Polizei, Verfassungsschutz, Justiz, Schule und Jugendarbeit gemeinsam gegen die rechte Gefahr aktiv werden. Dabei wird die Landesregierung auch zusätzliche Mittel für das geplante Aktionsprogramm zur Verfügung stellen. „Das gehört dazu“, so die Innenministeriumssprecherin.
In Berlin hat der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) zu einem Runden Tisch eingeladen. Beteiligt werden sollen neben den Parteien auch Vertreter gesellschaftlicher Gruppen, etwa von Gewerkschaften und Sportvereinen wie Hertha BSC. Nur gegen die Teilnahme der PDS wehren sich derzeit noch einige Hardliner der CDU.
Auch Baden-Württemberg will im Kampf gegen rechts nicht zurückstehen. Für die Präventionsarbeit werden jetzt in den Ferien Polizisten auf den Aufklärungseinsatz in den Schulen vorbereitet. „Gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit“ heißt das Programm. Seit dem 1. August gibt es ein „Hinweistelefon“ im Innenministerium. Bürger können dort Straftaten mit rechtem Hintergrund melden oder auf rechte Aktivitäten aufmerksam machen (07 11-54 01-36 00). Eine solche Hotline wurde auch in Hessen eingerichtet. Sie ist unter (06 11) 8 90 55 11 zu erreichen.
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