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Geldflüsse in alle Richtungen

Für die Lizenzen müssen sich die UMTS-Bieter hoch verschulden – ein Problem für den Kapitalmarkt

Je zufriedener Finanzminister Hans Eichel (SPD) in die Kameras grinst, desto flauer dürfte es Telekomchef Ron Sommer und seinen Mobilfunkkollegen werden. Denn: Was der Minister an Schulden zurückzahlt, müssen die Handybosse ja irgendwie aufbringen. Zehn Tage haben die Ersteigerer der UMTS-Linzenzen Zeit – jetzt, nachdem die Auktion zu Ende ist. Dann heißt es: Bitte zahlen! Und fast 99 Milliarden Mark schüttelt niemand mal so eben aus dem Ärmel, auch nicht Telekom, Vodafone Airtouch und die anderen Bieter gemeinsam.

Um am Zahltag liquide zu sein, wollen zumindest einige der Bieter Anleihen in Milliardenhöhe herausgeben. Erste Emissionen, beispielsweise der Deutschen Telekom, sind bereits auf dem Markt, über weitere wird nach Kräften spekuliert. Unterdessen diskutieren Finanzexperten: Kann der Kapitalmarkt das verkraften?

Einige Experten – etwa BDI-Chef Olaf Henkel – fürchten bei den privaten Unternehmensanleihen einen massiven Kursverlust aufgrund der erwarteten Anleihenschwemme. Andere hingegen gehen davon aus, „dass in der Summe keine Belastung für den Kapitalmarkt dabei herauskommt“, wie Rolf Schneider, Analyst bei der Dresdner Bank, gestern der taz sagte. Denn: Was die Unternehmen an Kapital vom Markt aufsaugen, speist Eichel in den Markt ein, wenn er staatliche Anleihen gegen Bares zurückkauft. Im Gegenteil: „Es könnte sogar zu einer Entlastung des Kapitalmarkts kommen“, meint Schneider. Dann nämlich, wenn die UMTS-Ersteigerer einen Teil der Milliardensumme nicht aus Anleihen am Markt bezahlen, sondern aus Reserven oder über Schulden bei privaten Banken.

Gewiss ist: Der Abstand zwischen den Zinsen für festverzinsliche staatliche und für private Papiere weitet sich aus. Schon jetzt sind Unternehmensanleihen in der Regel 0,7 Prozent teurer als die Staatspapiere – im Mai lag der Unterschied noch bei 0,4 Prozent. Noch einen Trend sagen Geldprofis voraus: Wenn der Staat seine Altlasten tilgt, werden langfristig sichere Geldanlagen knapp, und die Märkte verlieren ihren wichtigsten Orientierungspunkt, die Benchmark.

Diese „Vergleichsmarke“ liegt für den Euroraum bei den Zinsen für zehnjährige Anleihen des deutschen Staates, die die Zinsuntergrenze angeben. Weil den Deutschen daran gelegen ist, auch weiterhin die Federführung bei den Eurozinsen zu haben, glaubt Petra Köhler, Volkswirtin bei der Dresdner Bank, nicht, dass der Staat das Volumen seiner Bundesschatzbriefe und Staatsanleihen eindampft. Vielmehr „wird die Emission auch weiter bei etwa 30 Milliarden Euro pro Quartal liegen“. Das bestätigte auch ein Sprecher des Finanzministers.

Dieses Jahr wird Eichel erstmals mehr Schulden tilgen als neue Anleihen herausgeben. Sinkt aber das Angebot dieser bei Kleinanlegern so begehrten Finanzprodukte, kann die Regierung ihre Wertpapiere zu niedrigeren Zinssätzen verkaufen. Schon jetzt haben ein geringes Angebot und eine große Nachfrage bei den langfristigen amerikanischen und britischen Staatsanleihen die Zinsen deutlich sinken lassen. Der harte Sparkurs, mit dem die Länder die Eurokriterien erfüllen wollen, senkte die Schuldenquote in Euroland auf immerhin fast 70 Prozent des Sozialprodukts. Josef Wallner von der Bayrischen HypoVereinsbank erwartet daher zukünftig „niedrigere Zinsen“. Dass die Unternehmensanleihen teurer werden, spielt dabei kaum eine Rolle: Deren Markt macht derzeit nur einen Bruchteil des gesamten Kapitalmarkts aus.

Der internationale Trend zum Schuldenabbau bringt ein weiteres Problem mit sich. Das wohl schon ab 2001 spürbar kleinere Angebot an Staatspapieren könnte insbesondere Versicherungen und Pensionsfonds in Schwierigkeiten bringen. Sie stellen nämlich ihren langfristigen Verbindlichkeiten gegenüber ihren Versicherten und Sparern entsprechend langfristige eigene Geldanlagen an die Seite. Daher investieren beispielsweise Lebensversicherungen oft in Staatspapiere mit zehn- oder gar dreißigjähriger Laufzeit. Die HypoVereinsbank befürchtet, dass der Markt zumindest mittelfristig austrocknet.

Gemeinsam mit dem strahlenden Eichel können Privatanleger gelassen abwarten. Zur Zeit glänzen die Bundeswertpapiere noch. Ihr Zinssatz von über 5 Prozent ist so hoch wie seit Jahren nicht. Und strahlen werden auch die Chefs der großen Banken: Denn sie sind die Hauptgewinner dieser Megatransaktion. KATHARINA KOUFENHERMANNUS PFEIFFER

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