: Gericht zieht HEW den Stecker
Die Hamburgischen Electricitäts-Werke dürfen Bewag-Anteile nicht kaufen. Jetzt kämpft der Senat für eine amerikanische Lösung: US-Konzern Southern soll nicht nur die Bewag-Mehrheit übernehmen, sondern die ostdeutsche Braunkohle gleich dazu
von RALPH BOLLMANN
Im Tauziehen um die Zukunft des Berliner Stromerzeugers Bewag hat das Landgericht gestern die Verhandlungsposition des Senats gestärkt. Es untersagte dem Energieriesen Eon in einer einstweiligen Verfügung, seine Mehrheitsbeteiligung an die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) zu verkaufen. Die beiden Vorgängerfirmen des Eon-Konzerns hatten sich bei der Privatisierung der Bewag 1997 vertraglich verpflichtet, ihre Anteile 20 Jahre lang zu halten. Die Argumentation des Unternehmens, diese Verpflichtung sei mit dem Festhalten an zwei Aktien erfüllt, bezeichnete der vorsitzende Richter als „absurd“. Gleichzeitig kritisierte der Richter, der Privatisierungsvertrag sei juristisch „kein Meisterwerk“.
Der Senat fürchtet, dass die HEW im Fall einer Bewag-Übernahme Kraftwerkskapazitäten in Berlin stillegen und die Hauptstadt mit überschüssigem Atomstrom aus eigener Produktion versorgt. Hinter den HEW steht der schwedische Konzern Vattenfall, der neben der Bewag auch die ostdeutschen Stromerzeuger Veag, Laubag und Mibrag übernehmen und zu einem nord-ostdeutschen Energieriesen verschmelzen möchte.
Die Bildung einer solchen „vierten Kraft“ auf dem deutschen Strommarkt ist nach Ansicht von Branchenkennern nicht mehr aufzuhalten. Der Berliner Senat sähe es allerdings lieber, wenn bei einem solchen Giganten statt HEW und Vattenfall der amerikanische Konzern Southern Energy die Führung übernähme. Southern ist an der Bewag bereits mit 26 Prozent beteiligt. Ein Einstieg der Amerikaner hätte aus der Sicht Berlins und der übrigen Ost-Länder den Vorteil, dass sie nicht über eigene Kapazitäten in Europa verfügen und daher an einem Erhalt der ostdeutschen Kraftwerke interessiert sein müssten.
Die Bundesregierung, die über den Veag-Verkauf entscheidet, ließ gestern allerdings Sympathien für die schwedisch-hanseatische Lösung erkennen. Das Angebot sei „etwas besser“ als die Offerte der Amerikaner, sagte Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos). Am Mittwoch hatten Vattenfall und Southern ihre Konzepte vorgestellt. Müller bezog sich darauf, dass der US-Konzern den Kohleförderer Mibrag nicht übernehmen wolle. Bewag-Chef Dietmar Winje ließ jedoch durchblicken, dass eine Nachbesserung des Southern-Angebots denkbar sei. In diesem Zusammenhang steht offenbar ein Besuch, den Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) gestern überraschend der Konzernzentrale in Atlanta abstattete.
Finanzsenator Peter Kurth (CDU) appellierte an den Bund, seine Präferenz für das HEW-Modell noch einmal zu überdenken. Wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) den Osten zur Chefsache erkläre, dürfe er nicht einer Lösung zustimmen, die lediglich die „Interessen der westdeutschen Energiemultis“ befriedige. Kurth fügte allerdings hinzu, er könne sich „durchaus vorstellen, dass die HEW bei der Neukonzeption eine Rolle spielen“. Wenn Southern seine Beteiligung an der Bewag ausbaue und im Gegenzug auch weitergehende Verpflichtungen akzeptiere, verschließe das nicht die Möglichkeit einer HEW-Minderheitsbeteiligung. Eines aber steht für den Senat wie für Eon fest: Letztlich wird die Entscheidung über die Aufteilung des Strommarktes nicht vor Gericht, sondern am Verhandlungstisch fallen.
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