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Behörden länger auf, nicht die Läden

ÖTV setzt im Zuge der Ladenschluss-Diskussion auf flexiblere Zeiten für Ämter und Kitas. HBV schließt Streiks nicht aus

Die ÖTV setzt sich angesichts der Diskussion um den Ladenschluss für längere Öffnungszeiten in Behörden und Kitas ein. „Es darf nicht verboten sein, über bürgernahe Öffnungszeiten nachzudenken“, sagte der Landesvize der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Uwe Scharf, gestern der taz. Wenn der Bedarf in Behörden für längere Öffnungszeiten abends oder an Samstagen bestehe, müsse sich der öffentliche Dienst diesen Bedürfnissen der Bürger stellen, so Scharf.

Der ÖTV-Vize vollzog diese Flucht nach vorn allerdings nicht grundlos. Da die Menschen immer länger arbeiteten, müsse man auch über längere Öffnungszeiten in Kitas nachdenken, so Scharf weiter. Öffnungszeiten von 6 bis 20 Uhr seien angemessen. Gegebenenfalls müssten mehr Erzieherinnen eingestellt werden. Ein Rund-um-die-Uhr-Service sei nicht zum Nulltarif zu haben. „Die Gesellschaft muss sich entscheiden, welche Dienstleistungen sie haben und bezahlen will.“

Einen Widerspruch zu den Gewerkschaften im Einzelhandel, die sich strikt gegen längere Öffnungszeiten wenden, sieht Scharf mit seinem Vorstoß zu längeren Öffnungszeiten im öffentlichen Dienst nicht. „Die Verkäuferinnen wehren sich zu Recht gegen Öffnungszeiten bis 22 Uhr.“

Unterdessen kündigte die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) einen „heißen Herbst“ an, sollte das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Ladenschlusses wie geplant nach der Sommerpause in Bundesrat und Bundestag eingebracht werden. Die Bundesländer hatten sich am Montag darauf geeinigt, künftig werktags einen Verkauf bis 22 Uhr und samstags bis 20 Uhr zuzulassen. „Wir werden die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen nicht kampflos hinnehmen“, drohte ein HBV-Sprecher gestern. Das könne bis zum Streik während des Weihnachtsgeschäfts gehen. Die Gewerkschaften dürfen zwar nicht gegen Gesetzesvorhaben streiken, sondern nur zur Durchsetzung von Tarifverträgen. In Berlin ist der die Arbeitszeiten regelnde Manteltarifvertrag allerdings seit dem 1. Januar gekündigt – die HBV mithin streikberechtigt.

Ob es zu Streiks kommt oder nicht – spätestens zu Jahresbeginn droht das Chaos im Einzelhandel. Denn die Bezirke sind im Zuge der Gebietsreform mit weiter reichenden Wirtschaftskompetenzen ausgestattet worden. Dazu zählt nicht nur die Überwachung des Ladenschlussgesetzes, sondern auch die Gewährung eventueller Ausnahmegenehmigungen. Bisher war dies dem Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (Lagetsi) vorbehalten. Während ein Bezirk beispielsweise einen Sonntagseinkauf wegen eines besonderen öffentlichen Interesses, etwa ein Straßen- oder Kulturfest, genehmigt, könnte der Nachbarbezirk dies ablehnen. So verläuft die Grenze zwischen Charlottenburg und Schöneberg quer über den Tauentzien. RICHARD ROTHER

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