GEGENÜBERSTELLUNG VON SCHÄUBLE UND BAUMEISTER ENDETE IN TRÄNEN: Soapopera mit abschreckender Wirkung
Unions-Fraktionschef Friedrich Merz hat Recht. Die Gegenüberstellung von Ex-CDU-Chef Wolfgang Schäuble und Ex-CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister im Untersuchungsausschuss des Bundestags war eine „große Show“, bei der nichts herauskam. Auch nach zwei Tagen tränenreicher Konfrontation ist unklar, wer wann von Waffenhändler Schreiber 100.000 Mark bekam.
Ja, und auch der Unions-Vertreter im Ausschuss, Andreas Schmidt, hat Recht. Die Gegenüberstellung brachte wenig neue Erkenntnisse zum eigentlichen Thema des Untersuchungsausschusses: War die Regierung Kohl käuflich? Da ist es wirklich relativ unbedeutend, wer wann eine Spende in Empfang nahm, die später ordnungsgemäß verbucht wurde. Viel wichtiger wäre es zu erfahren, wann Helmut Kohl von wem sechs Millionen Mark kassierte, die später auf schwarzen Konten landeten.
Mit ihrem Wehklagen über das von Rot-Grün inszenierte „Spektakel“ um Schäuble und Baumeister zielt die CDU jedoch – absichtlich – am Hauptproblem vorbei. Dass die zentralen Fragen bisher nicht beantwortet wurden, liegt nicht an der Arbeit des Untersuchungsausschusses. Es ist nicht die Schuld von Rot-Grün, dass Kohl weiter schweigt. Es ist die CDU selbst, die ihm das durchgehen lässt, die Kohl immer wieder zu verstehen gibt: So schlimm ist dein Schweigen nicht, zumindest nicht im Vergleich zu deinen großen Verdiensten.
Der Untersuchungsausschuss tut, was er kann. Auf Grund seiner begrenzten Rechte kann er die wichtigsten Zeugen nicht zu entscheidenden Aussagen zwingen. Er kann sie nur trotzdem vorladen und Fragen stellen. Wenn sich wichtige Zeugen wie Schäuble und Baumeister dann zu einer regelrechten Soapopera hinreißen lassen, befriedigt dies nicht nur den Voyeurismus. Gerade dieser Untersuchungsausschuss, mitsamt seinen medial spektakulären Szenen, wird die politische Kultur in Deutschland verändern – zum Guten. Politiker aller Parteien haben für die Zukunft gelernt: Auch wenn Untersuchungsausschüsse ihnen selten etwas nachweisen können – sie schaffen eine Öffentlichkeit, die entlarvend sein kann. LUKAS WALLRAFF
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen