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Auch die Grünen fliegen viel

Die deutschen Flughäfen sollen ausgebaut werden. Die Grünen gehen ehrlich mit dem Reiseverhalten ihrer Klientel um und stützen das Verkehrskonzept

von LUKAS WALLRAFF

Gut zwei Jahre ist es her, da sorgte die bayerische Bundestagsabgeordnete Halo Saibold für einen Sturm der Empörung. Mitten im Wahlkampf forderte die tourismuspolitische Sprecherin der Grünen: „Es reicht vollkommen aus, wenn die Deutschen nicht jedes Jahr, sondern nur alle fünf Jahre eine Urlaubsreise mit dem Flugzeug machen.“ Die gewagte These der grünen Politikerin war ein gefundes Fressen für die politischen Gegner. Nicht nur Bild beschwor eine drohende Ökodiktatur.

Die grüne Parteispitze bemühte sich sofort um Schadensbegrenzung. „Mallorca auf Bezugsschein“ komme überhaupt nicht in Frage, versicherte Joschka Fischer. Auf keinen Fall wollten die Grünen in die Ecke der Öko-Fundis gedrängt werden. Saibolds Forderung blieb ein Einzelfall, aber in Erinnerung.

Zwei Jahre später haben die Grünen bewiesen, dass sie den Deutschen nicht das Fliegen verbieten wollen. Mit den Stimmen der grünen Minister beschloss die Bundesregierung am Mittwoch ein Flughafenkonzept, das bei der Lufthansa auf große Zustimmung stößt. „Das Konzept des Bundesverkehrsministers bedeutet einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung“, frohlockte Lufthansa-Chef Jürgen Weber gestern. Der Grund für seine Freude: Verkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD) hatte klargemacht: „Das Wachstum im Luftverkehr macht zur Erhaltung des Standorts Deutschland eine Erweiterung der knappen Luftraum- und Flughafenkapazitäten notwendig.“ In den nächsten Jahren 15 Jahren, so Klimmt, sei „eine Verdoppelung der Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen“ zu erwarten.

Nun haben die Grünen doch wieder Erklärungsbedarf. Keine Fundi-Kritik am Fliegen mehr, schön und gut. Aber deswegen gleich ein drastischer Ausbau der Flughäfen? Eine Verdoppelung des Flugverkehrs? Das entspricht nicht unbedingt dem, was sich viele Wähler von einer grünen Regierungsbeteiligung erwartet hatten. Vertreter von Naturschutzverbänden sprachen bereits von einer weiteren „Niederlage der Grünen“.

Von Verkehrsvermeidung sei in dem Flughafenkonzept nicht die Rede, kritisierte BUND-Sprecher Werner Reh, „die Ziele beim Klimaschutz werden in keinster Weise eingelöst“. Auch Anja Köhne vom Deutschen Naturschutzring findet in dem Konzept der Regierung „auch nicht im Ansatz eine Antwort“ auf das umweltpolitische Kernproblem der Flugzuwachsraten: „Wer Flughäfen sät, wird Klimaschäden ernten.“

Umweltminister Jürgen Trittin wehrte sich gegen die Kritik mit einer eigenen Erklärung. Bei dem Flughafenkonzept gehe es nicht nur um den Ausbau von Flughäfen, betonte Trittin, „dabei geht es vor allem auch darum, die vom Flugverkehr ausgehenden Umweltbelastungen zu mindern“. Im Vordergrund stehe die Verbesserung des Lärmschutzes. Da hätten die Grünen einiges erreicht. Trittin verwies auf die Novelle des Fluglärmgesetzes, die in dem Konzept vorgehesen ist. Und: „Besonderen Schutzes bedarf aus Sicht der Bundesregierung darüber hinaus die Nachtruhe.“

Auch der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Ali Schmidt, freut sich über „etliche Fortschritte, etwa beim Immissions- und Emissionsrecht“. Er findet es richtig, dass sich Trittin auf diese Punkte konzentriere, weil die Bundesregierung nur da echte Kompetenzen habe. Der Ausbau von Flughäfen sei schließlich Ländersache, die Verlautbarungen von Bundesverkehrsminister Klimmt mithin nicht allzu ernst zu nehmen: „Was konkret gemacht wird, wird vor Ort entschieden.“

Für Schmidt wäre es „unklug“, sich wegen der Frage des Flughafenausbaus in der Koalition „bis aufs Messer zu bekriegen“. Er will außerdem „ehrlich umgehen mit dem Verkehrs- und Reiseverhalten auch der grünen Klientel“. Es sei einfach so, dass viele zwei- bis dreimal im Jahr ins Flugzeug stiegen. „Die Leute fliegen halt. Punkt.“ Dies zu leugnen wäre Unsinn. Viel wichtiger sei es, „auf der Handlungesebene, wo wir etwas tun können“, etwas durchzusetzen – also vor allem beim Lärmschutz. BDI und CSU nahmen diese Ankündigung ernst und warnten prompt, die wirtschaftlichen Folgen seien nicht tragbar.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann würde dagegen noch viel weiter gehen. Ziel grüner Politk müsse eine nachhaltige Verkehrspolitik sein. „Man darf keiner Wachstumsperspektive das Wort reden.“ Das Flughafenkonzept hält er deshalb für „außerordentlich bedenklich“.

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