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Gülle als Konjunkturmotor

Die Nutzung von Biomasse ermöglicht Landwirten eine neue Einkommensquelle mit umweltfreundlicher Energieerzeugung. Auch Arbeitsplätze lassen sich damit vor allem in den strukturschwachen Regionen sichern. Raps ist als Treibstoff geeignet

Der Ertrag durch Gülle-Verstromung kann mit Techniken wie Brennstoffzellen weiter verbessert werden

Bei der Diskussion um den Ersatz fossiler Energieträger und Kernenergie durch regenerative Quellen wird oft vergessen, dass der größte Teil des Energieverbrauchs in Deutschland in Form von Wärme erfolgt (55 Prozent). Der Stromanteil am Energiebedarf hingegen beträgt „nur“ 17 Prozent. Das ist bedeutsam, weil diejenigen Energieträger, die stark im Blickpunkt der Diskussion stehen – Photovoltaik, Wind und Wasser – ausschließlich Strom erzeugen. Dagegen liefert ein anderer Energieträger neben Strom auch große Mengen an Wärme: Biomasse.

Bei der Verstromung von Biomasse in einer Biogasanlage entsteht ein Energiemix, der sich zu einem Drittel aus elektrischer und zu zwei Dritteln aus thermischer Energie zusammensetzt. Etwa 50 Prozent der erzeugten Wärme werden für den Betrieb der Anlage benötigt, sodass der Rest zur Deckung des Wärmebedarfs an anderer Stelle genutzt werden kann.

Biomasse steht im Gegensatz zu anderen regenerativen Energiequellen ganzjährig und jederzeit zur Verfügung. Weltweit übertrifft der jährliche Zuwachs an Biomasse den Energieverbrauch um ein Mehrfaches. So beträgt beispielsweise der Energiegehalt von Nahrung für die Weltbevölkerung nur etwa ein Prozent dieser Biomasse.

In Deutschland könnten 24 Prozent des Energieverbrauchs durch Biomasse aus der Landwirtschaft, den Forsten und Kommunen gedeckt werden. Hinzu kommt, dass durch die verstärkte Nutzung von Biomasse viele Arbeitsplätze vor allem im ländlichen Raum erhalten und neue geschaffen werden können, was für die Landwirtschaft von großem Interesse ist.

Denn auf Grund fallender Preise für landwirtschaftliche Produkte sinken die Einkommen der Landwirte, und in der Folge werden viele landwirtschaftliche Betriebe aufgegeben. Über die Energieerzeugung durch Biomasse könnte sich für viele landwirtschaftliche Betriebe eine neue Einkommensquelle auftun und helfen, die vielfältigen landwirtschaftlichen Strukturen zu erhalten.

Ein landwirtschaftlicher Betrieb mit 100 Hektar Fläche und 100 Rindern hat einen Energiebedarf, der pro Jahr etwa 21.000 Mark verschlingt. Als Grundlage zur Deckung dieses Bedarfs wird der Ersatz von herkömmlichem Treibstoff durch Rapsmethylesther (RME) angenommen. Doch fällt bei dessen Produktion nach den bisherigen technischen Verfahren die Energiebilanz eher schlecht aus. Da dieses Verfahren zur Treibstoffherstellung in der Praxis zur Zeit aber gängig ist, wird es zur besseren Vergleichbarkeit herangezogen.

Allerdings wird im Gegensatz zur herkömmlichen RME-Produktion in einem neuen Nutzungskonzept neben den Rapskörnern auch die Restpflanze energetisch genutzt. Dies ist auf Grund eines neuen, an der Universität Gesamthochschule Kassel (GhK) im Institut für Nutzpflanzenkunde entwickelten Konzepts möglich. Dabei wird die Ausreife des Raps nicht abgewartet, sondern er wird schon vier Wochen früher als Ganzpflanze geerntet. Dann besitzen die Rapskörner bereits den vollständigen Ölgehalt, nur die Ölqualität ist minderwertiger als zum Zeitpunkt der Vollreife. Dieses minderwertige Öl ist für die Treibstoffherstellung geeignet, wenn es nach einem speziellen Verfahren der Jenaer Labor- und Umwelttechnik GmbH behandelt wird.

Nach der Ernte als Ganzpflanze wird der Raps siliert, was in der Landwirtschaft ein gängiges Konservierungsverfahren zur Einlagerung von Futter darstellt.

Aus dem Nahrungsmittelsektor ist dieser Vorgang aus der Sauerkrautproduktion bekannt. Dadurch kann die Ernte gelagert werden, bis sie zur Energieproduktion benötigt wird. Für die RME-Produktion werden aus dieser Rapssilage die Körner herausgetrennt und nach dem Mahlen zu Treibstoff verestert. Die Restpflanze wird im Gegensatz zur herkömmlichen Rapsproduktion, wo nur die Körner das Erntegut darstellen, ebenfalls energetisch genutzt, und zwar in einer Biogasanlage. Die Pflanzenmasse wird als so genanntes Kofermentat zur Gülle gegeben und vergoren.

Ohne Güllenutzung wird dabei aus der Ernte von Biomasse auf einer Fläche von zehn Hektar ein Erlös von 35.700 Mark erzielt. Bei Abzug der bisherigen Energiekosten in Höhe von 21.100 Mark bleibt ein Überschuss von rund 14.000 Mark. Nutzt man auch die Gülle energetisch, steigt der Umsatz. Damit lassen sich durch die Energieproduktion deutlich höhere Umsätze für die Landwirtschaft erzielen als bei den herkömmlichen Produktionsverfahren, wie beispielsweise dem Getreideanbau.

Solche Rechnungen werden effektiver, wenn die energetisch genutzte Biomasse mit relativ wenig Energie-Input angebaut wird. Am Institut für Nutzpflanzenkunde der GhK wurde dafür das Zweikulturnutzungssystem entwickelt, das den Anbau von zwei Kulturen in einem Jahr vorsieht. Dieses Anbausystem ist mit den Richtlinien des ökologischen Landbaus vereinbar und bringt keine zusätzlichen Umweltbelastungen durch chemische Pflanzenbehandlung oder Überdüngung.

Mit der Energie aus Biomasse könnten Landwirte neben ihren Bauernhöfen auch die Dörfer und Regionen versorgen.

Dennoch führt der Anbau von Biomasse in diesem Verfahren zu einem Gesamtbiomasseertrag von 18 bis 25 Tonnen pro Hektar, was einem Heizöläquivalent von 8.000 bis 11.000 Litern pro Hektar entspricht.

Ferner kann in Zukunft der Ertrag durch die Verstromung von Biomasse mit effektiveren Techniken wie der Brennstoffzelle verbessert werden. Außerdem gibt es hinsichtlich der Energieausbeute weitaus effektivere Pflanzen als den Raps, zum Beispiel Hanf, Mais, Zuckerhirse und Sonnenblumen. Im Rahmen des Zweikulturnutzungssystems können nahezu alle Kulturpflanzen angebaut werden, was zur Erhöhung der Artenvielfalt in der Landschaft beiträgt.

Über die energetische Versorgung des eigenen Bauernhofs hinaus ist damit die Versorgung eines ganzen Dorfes oder einer Region mittels Energie aus Biomasse denkbar. Dadurch ergeben sich für die Landwirtschaft neue Einkommensperspektiven, die die Sicherung einer vielfältig strukturierten Landwirtschaft und Landschaft ermöglichen. Durch die Erhöhung der Kaufkraft werden auch Arbeitsplätze in der Region geschaffen und gesichert. RÜDIGER GRASS

KONRAD SCHEFFER

Kontakt: Institut für Nutzpflanzenkunde, Universität Gesamthochschule Kassel, Steinstraße 19, 37213 Witzenhausen. Telefon: (055 42) 98 15 45 oder 98 13 12, E-Mail: scheffer@wiz.uni-kassel.de, grass@wiz.uni-kassel.de

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