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alternativbericht

„Grundrechtereport 2000“

Wer bedroht eigentlich das Grundgesetz, der Staat oder die Bürger? Für die Innenminister dieses Landes war die Antwort immer klar: Es sind natürlich die Bürger. Im jährlichen Verfassungsschutzbericht werden deren „extremistische“ Taten oder Vereinigungen dargestellt und der Öffentlichkeit zur Abschreckung präsentiert.

Gut ist es daher, dass es seit vier Jahren einen jährlichen Gegenbericht gibt, den Grundrechtereport. Wie der Staat mit den Grund- und Menschenrechten seiner Untertanen umgegangen ist, bilanzieren in einem ebenso handlichen wie nützlichen rororo-Bändchen vier Bürgerrechtsorganisationen – die Humanistische Union, das Komitee für Grundrechte und Demokratie, die Gustav-Heinemann-Initiative und der Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen.

Rund 40 Autoren greifen jeweils ein aktuelles Ereignis, eine neue Entwicklung auf. Das Themenspektrum reicht in diesem Jahr vom Asylrecht bis zur Einrichtung von Gendateien, von der Benachteiligung Ostdeutscher bis zur staatlichen Missachtung von EU-Umweltrecht.

Vergnüglich zu lesen ist das Buch nicht, doch das liegt am Thema. So kritisiert etwa Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, dass in Bayern immer noch polizeiliche Sonderdateien existierten: Ohne besonderen Anlass werden dort Personalien und Autokennzeichen aller Sinti und Roma gespeichert und so die NS-Landfahrer-Dateien fortgeführt.

Großen Raum nimmt in der 2000er-Ausgabe der Kosovokrieg ein. Dabei geht es weniger um die Verteidigung der Menschenrechte, um derentwillen ja der Krieg geführt wurde, sondern vielmehr um die Missachtung des Völkerrechts und des im Grundgesetz postulierten Verbots des Angriffskrieges.

Nicht nur in diesem Zusammenhang äußern die Autoren ihre herbe Enttäuschung über die rot-grüne Regierung. „Eine Wende in der Asylpolitik ist ausgeblieben, die verfehlte Politik der Inneren Sicherheit wird fortgesetzt“, heißt es schon im Vorwort des aktuellen Reports.

Neben der überwiegend kritischen Politikbegleitung enthält der Band auch einige wenige positive Meldungen. Neben der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts werden jedoch fast nur Gerichtsurteile auf der Habenseite verbucht, so die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, der Frauen endlich den Zugang zum freiwilligen Dienst in der Bundeswehr geöffnet hat.

Bei der öffentlichen Präsentation des Buches führte genau dieser Beitrag zu Protesten linksradikaler Kritiker. Die Bundeswehr sei abzuschaffen, statt sie für Frauen attraktiv zu machen, hieß es. Die Report-Autorin Katharina Ahrendts sieht dies zu Recht anders, denn: „Zweck der Grundrechte kann es nicht sein, der Frau eine eigenverantwortliche Entscheidung zu verwehren.“ CHRISTIAN RATH

Till Müller-Heidelberg, Ulrich Finckh, Verena Grundmann, Elke Steven (Hg.): „Grundrechtereport 2000“, 256 Seiten, Rowohlt, Reinbek 2000, 16,90 Mark.

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