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Zwölf Verkehrsexperten erkundeten im Auftrag der Regierung Alternativen zur Finanzierung von Verkehrswegen. Minister Klimmt hört nicht auf sie

von KATHARINA KOUFEN

Wer Kosten verursacht, sollte dafür auch bezahlen. Das ist der Tenor des Pällmann-Berichts, der gestern dem Bundesverkehrsminister übergeben wurde. Reinhard Klimmt bedankte sich artig für die „Ausführlichkeit und Tiefe“, mit der die 12 Verkehrsexperten ein Jahr lang über Alternativen bei der Finanzierung von Verkehr nachgedacht hatten. Doch schon bevor Wilhelm Pällmann, Vorsitzender der Expertenkommission, gestern mit dem Minister zusammentraf, war klar: In zwei wichtigen Punkten wird Klimmt seinen Vorschlägen nicht zustimmen.

Erstens: Die Gutachter machen beim Streckennetz der Bahn die große Ausnahme: Nicht die Kostenverursacher sollen zahlen – das würde bedeuten, Bahnfahren noch teurer zu machen –, sondern der Staat. Alles andere halten die Experten für „utopisch“. Sie schlagen vor, das Streckennetz aus dem Gesamtkonzern Deutsche Bahn AG auszugliedern. Denn: „Um die DB AG inklusive Nezt börsenfähig zu machen, müsste der Staat auf Jahre im Voraus hohe Zuschüsse für das Netz verbindlich zusagen“, sagte Pällmann gestern zur Begründung. 13,5 Milliarden Mark brauche die Bahn, um ihr Schienennetz wieder auf Vordermann zu bringen. Nur 3,5 Milliarden davon könne sie selbst aufbringen. Das Bahnnetz soll deshalb als Aktiengesellschaft in unmittelbares staatliches Eigentum zurückgeführt werden – damit läge die Verantwortung wieder beim Bund. Außerdem schlagen die Gutachter vor, dass der Staat sich auf ein Bundesschienennetz von 20.000 bis 25.000 Kilometer Länge konzentrieren soll. Die restlichen Strecken hingegen sollen an Länder und Kommunen übergeben werden. Klimmt zur Ausgliederung der DB Netz AG: „Diese Notwendigkeit sehe ich nicht.“

Zweitens: Möglichst alle Straßen sollen künftig von ihren Nutzern finanziert werden. Als Einstieg in diese Umstellung schlagen die Gutachter vor, eine Gesellschaft zur Finanzierung der Bundesfernstraßen zu gründen und später zu Betreibergesellschaften zu entwickeln. Diese sollen, als private Unternehmen, den Bau von Autobahnen und Bundesstraßen über Kredite am Kapitalmarkt vorfinanzieren. Im Gegenzug erhielten sie sämtliche Einnahmen ab 2001 aus der Euro-Vignette – rund 900 Millionen Mark im Jahr – sowie aus der Schwerverkehrsabgabe, die ab 2003 mit durchschnittlich 25 Pfennig pro gefahrenen Kilometer für schwere Laster erhoben werden und in Summe 4,5 Milliarden Mark jährlich einbringen soll. Klimmt wollte sich gestern nicht abschließend zu diesem Vorschlag äussern: „Für diese Legislaturperiode ist das keine Aufgabe“, sagte er. Lediglich die Einführung der Schwerverkehrsabgabe ab 2003 sei beschlossen, in ihrer Höhe auch mit EU-Recht vereinbar.

Fest steht allerdings, dass Klimmt gegen eine Maut für Pkws ist – den nächsten Schritt, den die Gutachter zur Straßenfinanzierung vorschlagen. Rund 80 Mark pro Jahr sollen Autofahrer demnach hinblättern, 1.200 all diejenigen, die einen leichten Lkw mit unter 12 Tonnen Gesamtgewicht fahren. 2,5 Milliarden Mark kämen auf diese Weise zusammen. Diese „Zeitmaut“ wäre jedoch nur eine Übergangslösung und sollte langfristig auch in eine „Streckenmaut“ übergehen. Wie zur Errechnung der Schwerverkehrsabgabe würde per Satellit gemessen, wie viele Kilometer jedes Fahrzeug zurücklegt. Streng nach den Kosten, die jeder Verkehrsträger etwa durch die Abnutzung der Straßenoberfläche verursacht, hieße das: Schwere Lkws zahlen durchschnittlich auf Autobahn und Bundesstraßen 40 Pfennig pro gefahrenen Kilometer, leichte Lkws 11, Pkws 5 Pfennig. Wäre das heute schon der Fall, könnte die Mineralölsteuer auf 25 bis 28 Pfennig gesenkt werden, rechnen die Experten vor. Für die Autofahrer ergäbe sich daraus eine Nettoentlastung – sie zahlen derzeit für die Straßenschäden durch den Schwerverkehr mit.

Klimmt sagte zur Pkw-Maut: „Diesen Vorstellungen werden wir nicht näher treten.“ Augenblicklich sei die Regierung mit der Belastung der Autofahrer durch Öko- und Mineralölsteuer „am Ende der Fahnenstange angelangt“. Auch die Kompensierung der Maut durch eine Senkung der Mineralölsteuer hält Klimmt nicht für gut: Damit würde der Anreiz, möglichst Sprit sparend zu fahren, wegfallen.

4 Milliarden Mark fehlen pro Jahr im Verkehrswegeplan, den die Bundesregierung für den Zeitraum von 1991 bis 2012 aufgestellt hat. Dieses Loch könnte man, so die Gutachter, mit den Einnahmen aus der Schwerverkehrsabgabe stopfen. Auch dem widersprach Klimmt: 3 der erwarteten 4,5 Milliarden seien bereits verplant: So flössen im Rahmen des „Anti-Stau-Programms“ je 1,5 Milliarden in den Autobahnausbau und in die Instandsetzung von Schienen und Wasserstraßen. Um die übrigen 1,5 Milliarden wird jetzt schon gestitten: Die Grünen schlagen vor, damit eine Senkung der Mehrwertsteuer für die Bahn zu finanzieren. Der Finanzminister würde das Geld zur weiteren Schuldentilgung verwenden. Und die Lkw-Branche hofft auf eine Entschädigung – immerhin verzwanzigfachen sich ab 2003 für schwere Laster die Wegekosten. Bislang wird über die Eurovignette für jeden gefahrenen Kilometer lediglich die Minimaut von 2 Pfennig fällig.

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