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FernsehtippRAF für Frieden

■ Doku über Silke Maier-Witt im Kosovo

„Mein Name ist Silke Maier Witt. Ich komme aus Bremen. Das liegt in der Nähe von Hamburg in Deutschland.“ Der Dokumentarfilm heißt „Mein neues Leben“. Die Menschen, die Silke Maier-Witt im Kosovo betreut, wissen nichts von ihren vielen vorigen Leben: Mitte der Siebzigerjahre schloss sich die Psychologiestudentin der Roten Armee Fraktion (RAF) an. Auskundschaften, Fluchtautos, konspirative Wohnungen – selbst griff sie nie zur Waffe, fühlte sich darum als Versagerin. Als bei einem Banküberfall in Zürich eine unbeteiligte Frau erschossen wurde, war für sie klar: „Das war's jetzt mit der RAF.“

Die Stasi verschaffte Silke Maier-Witt eine neue Identität. In der DDR hätte sie ein bürgerliches Leben führen können. Doch ein aus der DDR übergesiedelter Bekannter identifizierte sie auf einem Fahndungsplakat im Westen. Das Versteckspiel ging von Neuem los: Sie tauchte wieder unter, in einem abgelegenen Stasi-Anwesen.

Des Fliehens müde wartete sie nach dem Mauerfall einfach ihre Verhaftung ab. Ihr Wissen aus RAF-Zeiten gab sie als Kronzeugin preis und belastete damit ehemalige Mitstreiter. Sie selbst wurde 1990 zu zehn Jahren Haft verurteilt, aber schon 1995 entlassen. Noch während der Haft konnte sie an der Uni Oldenburg ihr Psychologiestudium wieder aufnehmen. Das Schwierige war, das Gelernte auch anzuwenden: Erst das Friedensforum „Ziviler Friedensdienst“ überwand die Berührungsängste und entschied sich trotz ihrer Vergangenheit für Silke Maier-Witt als „Friedensfachkraft“. Die Bundesregierung bewilligte nach einigem Zögern die nötigen Mittel.

Seit einem halben Jahr leistet die heute 50-Jährige nun „Trauma-Arbeit“ mit Menschen, die im Kosovo-Krieg ihre Familien, ihr Zuhause oder einfach nur den Lebensmut verloren haben. Als sie sieht, wie Albaner noch im Jahr nach dem Krieg Kleidungsfetzen von Verwandten aus Massengräbern ziehen, sagt sie: „Kein Mensch kann erwarten, dass die Albaner wieder mit den Serben zusammenleben.“ Viel sei schon gewonnen, wenn es nicht zu Racheakten komme. Ihr Traum ist es, beide Seiten zu einem gemeinsamen Gespräch an einen Tisch zu bringen.

Immer ist dabei zu spüren, dass Silke Maier-Witt nicht nur die Gewalt im Kosovo verarbeitet, sondern auch ihre eigene Geschichte. Sie schämt sich heute, dass sie bei den Morden der RAF keine moralischen Skrupel hatte. Aber gerade weil sie heute weiß, „wie anfällig ich selbst für Ideologie war“, glaubt sie, zur Versöhnung im Kosovo beitragen zu können. Ganz anders sieht das ein Ex-Genosse aus der RAF: „Es ist obszön, wenn gerade wir so etwas tun“, gibt er ihr mit auf den Weg.

jank

Heute 23.30 Uhr in der ARD

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