: Das Stadthallen-Massaker
■ Die Stadthalle soll aufgestockt werden / Ein Sündenfall, meinen Architekturkritiker
Dass Bremen in den Blick der Architekturkritik gerät, geschieht nicht eben häufig. Um so bemerkenswerter ist, dass die „deutsche bauzeitung“ (db) – Zentralorgan der Architektenzunft – in ihrer aktuellen Ausgabe der Bremer Stadthalle einen großen Beitrag widmet. Tenor: Durch die vorgesehene Aufstockung der Tribünen wird ein international bedeutsames Bauwerk vollends massakriert.
Was ist geplant? Die Hanseatische Veranstaltungsgesellschaft (HVG) als Betreiberin der Stadthalle ist mit der maximalen Besucherkapazität von 10.500 Menschen unzufrieden. Ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten, ob eine Aufstockung möglich ist, hat nach Auskunft von HVG-Sprecher Torsten Haar zu einem positiven Ergebnis geführt. Die ersten Planungen sehen vor, dass die Tribünen auf der Nord- und Südseite um je einen Rang erhöht werden. Das bisherige Hängedach würde abgebrochen, durch moderne Fachwerkträger ersetzt und auf beiden Seiten angehoben. Ziel des Unternehmens, das 30 bis 40 Millionen Mark kosten soll und politisch noch nicht abgesegnet ist: eine Kapazität von bis zu 14.000 Besuchern.
Die ist aus Sicht von Torsten Haar dringend geboten, um der Hallen-Konkurrenz in Hannover – und bald wohl auch in Hamburg – in Zukunft Paroli bieten zu können. Dabei waren Haar zufolge 1999 von den mehr als 100 Veranstaltungen in der Stadthalle nur 20 ausverkauft. Trotzdem: „Je größer, je lieber“, sei das Motto der Kundschaft, und da müsse man eben mithalten.
Dem HVG-Sprecher geht es auch um eine umfangreiche Modernisierung der Halle – etwa in Form von Fahrstühlen für die oberen Ränge. Devise: mehr Service! Auch mit der bereits existierenden neuen Lastenkonstruktion für Licht und Ton sind die Hallenbetreiber noch nicht zufrieden. Und die Ästhetik? Die Stadthalle sei ein Zweckbau, sagt Haar, „wir können uns kein Museum in dieser Größe leisten“. Es könne nicht angehen, das Veranstaltungsgeschäft der 60er Jahre zu konservieren. Die „schiffsbugartige“ Ausrichtung des Gebäudes bleibe ja erhalten.
Für den db-Autor Olaf Winkler ist allein schon das mittelmäßige Stadthallen-Umfeld eine einzige große Respektlosigkeit gegenüber der 1964 fertig gestellten „Bau-skulptur“ (Architekten: Rainer/Säume/Hafemann). Schließlich sei die 1957 entworfene Hängedach-Konstruktion mit ihren imposanten Spannbeton-Bindern „an Klarheit kaum zu übertreffen“ – ein gelungenes Gebäude, das Form und Funktion vereint. Der Umbau würde es jedoch völlig verändern. Und das ist aus Winklers Sicht unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten kaum zulässig.
Bremens oberster Denkmalpfleger, Peter Hahn, sieht indes keinerlei Chancen, gegen die „massiven wirtschaftlichen Überlegungen“ der HVG etwas auszurichten. Er befürchtet „verhärtete Fronten“, sollte er versuchen, das Gebäude unter Schutz zu stellen. Und lässt es vorsichtshalber. Ein Denkmal ist die Stadthalle bislang nicht – trotz ihres architektonischen Ranges, der ihr die Aufnahme in das Handbuch der Baudenkmal-Szene, den „Dehio“, bescherte.
Aus Hahns Sicht ist das Kind schon lange in den Brunnen gefallen, nämlich als 1978 die ersten Bauten direkt neben der Halle errichtet wurden. Diese war als frei stehender Solitärbau konzipiert worden. Schutzwürdig werden Gebäude jedoch erst nach einer Generation, also nach 30 Jahren.
Für db-Kritiker Winkler ist es dennoch „ein ziemlich heißes Eisen, dass das Ding nicht unter Denkmalschutz steht“. Er sieht in der Stadthalle ein positives Beispiel der Architektur der 50er-Jahre. Ihr geistiger Schöpfer, der inzwischen 90-jährige österreichische Architekt Roland Rainer, lässt sich durch den Umgang mit seinen Werken übrigens nicht vom Kurs abbringen und baut munter weiter – zu Hause, in Wien. Es sei aber durchaus möglich, meint db-Autor Winkler, dass der alte Herr bei dem anvisierten Umbau der Bremer Stadthalle ein Mitspracherecht besitzt. hase
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