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ADAC-Motorwelt

DAS SCHLAGLOCHvon FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH

Natürlich könnte ich auch rechts rübergehen. Unnatürlich ist es aber nicht, dass ich links bleibe. Denn in mein Auge rückspiegelt: Es ist ein dicker BMW, der linke Blinker blinkt, es fernlichthupt mir in den Kofferraum, alles passend. Meister Drängel präsentiert seinen armdicken Schwengel nebst Schwarm dicker Engel: Schutzgeister umschwirren den Showdown auf der Überholspur, auf dass ich nicht selbstmörderisch vollbremse. Nein, ich reagiere besonnen und lege die Vollbremsung so an, dass er seinen Phallomat Kombi gerade noch unfallfrei runterwürgen kann.

Schön! Im Rückspiegel sehe ich seine Beifahrerin, eben noch in der Rolle des zu bebalzenden Gesamtweibchens, sich schlagartig und gestenreich gegen den brünftigen Burschen wenden. Vor Jahren habe ich ein defektes Paar Bremslichter ein paar Monate unrepariert gelassen. Da kam diese rachehaltige Intensivbremsung umso erfrischender. Das waren Zeiten, als schumifizierte Zweitplatzierte samy-molchoid den Notizblock vom Armaturenbrett klaubten und die erbarmungslose Niederschrift meines Nummernschildes pantomimten. Von der Polizei hörte ich nie; mich anzuzeigen heißt: sich als Drängler zu offenbaren. Ja, es gibt sie, die guten Dinge.

Zum Beispiel: Heckklappenlogos mit „d“. Das heißt: Ich bin Sparferkel, sozial minderpotent, meinem unbedingten Befruchtungswillen steht mein käsiger Geiz entgegen, oder eben kurz: Diesel. Der Tausch meines ohnehin schon reichlich sozialkundelehrerkompatiblen Volvo Kombi gegen das Alternativmodell mit Turbodiesel brachte rund 40 Prozent mehr Angriffe aus der BMW-Fraktion. Sich von einem Dieselpiloten abledern zu lassen muss ungefähr so sein, als ob die Gattin mit dem fettleibigen Gemeindepfarrer durchgeht. Ich zähle es zu den schönsten Früchten gestiegenen Umweltbewusstseins, dass der Sprit sparende Turbodiesel in der Beschleunigung noch einen Hauch überm Serienbruder mit Superbenzin liegt heutzutage. Schau in mein rußiges Endrohr, Hund.

Noch stets verweigern die bayerischen Motorenwerke jede Auskunft zur Statistik, um wie viel häufiger linke als rechte Blinkerbirnchen ersetzt werden müssen. Hier ist der Hersteller zu verteidigen: Vielleicht weiß der Kundenkreis nicht, dass es rechts auch einen Blinker gibt; oder man scheitert an der intellektuellen Herausforderung, beides voneinander zu unterscheiden. Der Audipilot hingegen drängelt gern lichthupenlos, hier fehlen offenbar auf Vaters Rücksitzbank angewölfte Brunftrituale. Erst auf ausdrücklichen Antrag schließlich bemüht der souveräne Mercedeseigner das Fernlicht. Ganz im Gestus eines gut gemeinten Hinweises: Hey, du Unter-100-PS-Dummerle, bei mir war doch das Recht auf Überholspur nebst Falschparken auf dem Radweg im Kaufpreis mit drin. Neuerdings erreichen mich Hinweise aus dem Freundeskreis, die Hochmotorisierung kleinerer Transporter und Pritschenwagen spüle auch „Vitos“ , „Caravelles“ und gar „Fiat Ducatos“ auf die mir und nur wenigen anderen Edelmenschen allein zustehende Fahrspur gleich rechts von der Leitplanke. Diese gedopten Kleiderschränke werden serienmäßig ohne Heckfenster verdealt. Man muss nicht nur hinterhertrödeln – man blickt nicht mal durch, warum. Ist das Gefühl der tapferen Matrosen in ihren U-Booten so viel anders, wenn sie gleichsam maulwurfsblind ein Torpedo auf den vor sich nur vermuteten Feind abfeuern? Ja, denn ich habe kein Torpedo. Aber die Vorstellung tröstet viele Kilometer lang.

In allen diesen Fällen ist der vernünftige Verkehrsteilnehmer aufgerufen, Verantwortung zu übernehmen. Rechts dran vorbei, davorsetzen und runterbremsen auf sagen wir 90. Eine gute Tat ersetzt viele gute Worte. Früher fand ich den rechten Außenspiegel verzichtbar. Heute käme ich in meiner verkehrserzieherischen Praxis in Teufels Küche, wenn ich beim Ausbremsen links nicht auf der Hut wäre. Zieht der Gegner wiederum rechts an mir vorbei und triumphiert, hat er ja nichts aus der Sache gelernt. Also stets den Mittelstreifen unterm rechten Rad halten oder warten, bis ein lecker lahmer LKW rechts dicht macht. Nicht jeder ist ein Häkkinen, aber natürlich macht es zu dritt mehr Spaß.

Statt zu Notizzettelchen greift der zeitgenössische Wutschäumer heute zum Handy. Der Automobilmobiltelefonierer ist die Bröckchenpest der Neuzeit. Das beste Argument für die Bundesbahn ist das klein gedruckte Handyverbot in allen Mitropa-Speisekarten. Der Funktelefonfahrer wählt rechts, wechselt beim Freizeichen auf die mittlere Spur, und wenn das Gespräch losgeht, schläft er auf der Überholspur ein. Es ist nur eine der vielen tendenziösen Vergehen der Autobahnpolizei, gern einmal mit Geschwindigkeitskontrollen herumzuschikanieren. Lahmarschüberprüfung hingegen müssen wir schmerzlich missen. Ist der Gesetzgeber nicht in der Lage, diesen rollenden Schikanen das Singen standrechtlich zu verbieten, sollte er sie wenigstens zwingen, ihre Mobiltelefonnummer hübsch leserlich auf die Heckscheibe zu drucken. Ein paar freundliche Worte am Telefon – „Drecksau, trag den Arsch von meiner Fahrspur!“ – und schon rollt der Verkehr. Aber dieser Staat hält seine Bürger lieber unmündig. Auf Plakaten mahnt er mich zum Beispiel, einen Sicherheitsabstand einzuhalten. Das einzig Sichere daran ist, dass von rechts einer reinflutscht, wenn die Lücke gerade groß genug ist. Nicht mit mir.

Dabei stiften Telefone für aufs Gemeinwohl bedachte Verkehrsteilnehmer durchaus Sinn: Der Radioredakteur, der mich ungewarnt in einen Stau schickt, hat Anspruch auf meine ganz spontane Hörerresonanz. Selbstverständlich lege ich mir vor Fahrtantritt eine Zeitung auf den Beifahrersitz – Stopp & go ist ungesund für Nerven und Motor und Kupplung. Ich hingegen lese mich fest und warte, bis es sich lohnt, 50 oder 100 Meter vorzurollen. Es gehört weltmännische Gelassenheit dazu, des Hintermanns cholerisches Hupen mit einem freundlichen Winken in den Rückspiegel zu quittieren, aber erst nach erkennbar gelassenem Zusammenfalten der Zeitung. Ich rege mich im Stau nicht auf. Ich lerne hinzu.

Zumal ungefähr 120 Prozent aller deutschen Staus daher rühren, dass Mitarbeiter des zuständigen Landschaftsverbandes ihren Arbeitstag mit einer siebenstündigen Frühstückspause zubringen.

Man liest dieser Tage viel von Ökosteuer und Spritpreiserhöhung. Der Staat versucht, das Verkehrschaos mit der Machete zu tranchieren, statt mit dem Florett kunstvoll zu gestalten. Selbstverständlich, und dieser Text hat das aufgezeigt, täte manchem Verkehrsteilnehmer ein leerer Tank gut. Anderen Unrecht. Wenn alle so führen wie ich, hätten wir weniger Probleme. Da sie es nicht tun, gegen meinen erbitterten Widerstand, wäre die finanzielle Selektion an der Zapfsäule ein geeignetes Mittel.

Hinweise:Heckklappenlogos mit „d“. Das heißt: Ich bin Sparferkel, sozial minderpotent. Oder eben kurz: Diesel.Sicherheitsabstand: Das einzig Sichere ist, dass von rechts einer reinflutscht. Nicht mit mir.

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