: Täuschen durch Bekennen
1995 durchwühlte der Staatsschutz die taz auf der Suche nach einem Bekennerschreiben. Gestern scheiterte die Klage gegen Durchsuchung und Beschlagnahme vor dem Bundesverfassungsgericht
aus Karlsruhe CHRISTIAN RATH
Bekennerschreiben, die nur der Täuschung der Polizei dienen, können auch weiterhin in Redaktionsräumen beschlagnahmt werden. Eine Verfassungsbeschwerde der taz, mit der diese Praxis angegriffen werden sollte, wurde vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nicht zur Entscheidung angenommen.
Das höchste deutsche Gericht sah in derartigen Beschlagnahmungen keine Verletzung der Pressefreiheit, da in diesem Fall das Interesse an der Aufklärung schwerer Straftaten Vorrang habe, heißt es in der Begründung.
Konkret ging es um das Schreiben einer linksradikalen Gruppierung namens „das K.O.M.I.T.E.E.“, die sich 1995 zu einem Brandanschlag auf das Verteidigungskreiskommando der Bundeswehr in Bad Freienwalde im Oktober 1994 und für einen in letzter Minute aufgedeckten Sprengstoffanschlag auf eine leer stehende Haftanstalt in Berlin-Grünau bekannte und zugleich die Auflösung der Gruppe bekanntgab.
Weil die taz (wie auch die junge Welt) am 18. September 1995 das Schreiben dokumentierte, wurden zwei Wochen später die Berliner Redaktionsräume beider Blätter durchsucht. Der Polizei ging es um das Original des Bekennerschreibens, das auf Fingerabdrücke und andere Spuren geprüft werden sollte.
Gegen diese Durchsuchung beschwerte sich die taz zuerst beim Bundesgerichtshof (BGH). Der BGH hielt die Polizeiaktion allerdings für zulässig, weil es sich bei dem Bekennerschreiben zugleich um eine Täuschungsaktion gehandelt habe: Mit der in dem Schreiben angekündigten Auflösung des K.O.M.I.T.E.E.s „sollten lediglich die Ermittlungsbehörden hinters Licht geführt“ werden. Auch Angaben zur Zusammensetzung der Gruppe („Männercombo“) wurden als gezieltes Ablenkungsmanöver eingeschätzt.
Damit habe das Schreiben aber den „organisatorischen Zusammenhalt der terroristischen Vereinigung“ gefestigt und sei damit selbst ein Tatmittel. Das Beschlagnahmeverbot für Materialien, die der Presse von Informanten zur Verfügung gestellt werden, könne hier nicht gelten, so der BGH.
Die Verfassungsbeschwerde der taz gegen diese Entscheidung wurde vom Bundesverfassungsgericht nun mangels Erfolgsaussicht erst gar nicht zur Entscheidung angenommen. taz-Anwalt Christian Ströbele hatte argumentiert, dass durch derartige Durchsuchungen der grundgesetzlich garantierte Informantenschutz der Presse durchlöchert werde. Karlsruhe sah das jedoch anders: Der Informantenschutz könne nicht generell Vorrang vor anderen Verfassungsgütern haben. Er müsse etwa gegen das Interesse an einer effizienten Strafverfolgung abgewogen werden. Immerhin sei es auch denkbar, dass Beschuldigte durch polizeiliche Ermittlungen entlastet würden.
So gesehen sei auch der BGH-Beschluss nicht zu beanstanden, teilte das Verfassungsgericht nun mit. Das Gericht ließ dabei ausdrücklich „offen“, ob Bekennerschreiben generell als „Tatmittel“ eingestuft und deshalb beschlagnahmt werden können. Wegen der „Besonderheit“ der K.O.M.I.T.E.E-Erklärung sei diese Frage hier nicht zu entscheiden.
Nach Auskunft der Bundesanwaltschaft laufen die Ermittlungen im Fall K.O.M.I.T.E.E bis heute weiter, die Verdächtigen seien derzeit flüchtig. (Az. 1 BvR 77/96)
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