: Al Gores Wähler sollen nicht frieren
US-Präsident Bill Clinton hilft seinem Vize, indem er einen Teil der staatlichen Ölreserven auf den Markt wirft und Heizöl-Beihilfen für Bedürftige ankündigt. Gores republikanischer Rivale George W. Bush sieht darin ein politisches Manöver
aus Washington BERND PICKERT
US-Präsident Bill Clinton hat am Freitagabend angekündigt, in einem Zeitraum von vier Wochen 30 Millionen Barrel (je 159 Liter) Öl aus der strategischen Erdölreserve der USA auf den Markt zu bringen, um die Heizölversorgung für den Winter zu sichern und Druck auf die Rohölpreise auszuüben.
Die strategische Erdölreserve war nach der Erdölkrise von 1973 angelegt worden. Insgesamt 571 Millionen Barrel lagern in unterirdischen Salzstöcken im Gebiet des Golfs von Mexiko. Zusätzlich kündigte Clinton an, mit insgesamt 400 Millionen Dollar Soforthilfe bedürftige Verbraucher bei der Heizölversorgung im kommenden Winter zu unterstützen. Demokratische und republikanische Kongressabgeordnete aus Neuengland hatten in der vergangenen Woche Alarm geschlagen – in den stark vom Winter betroffenen Bundesstaaten, wo die meisten Häuser mit Ölheizungen arbeiten, könnten die zu geringen Reserven und zu hohen Preise im Winter zu ernsthaften Krisen führen.
Clintons Ankündigung kam nur einen Tag, nachdem Vizepräsident Al Gore vorgeschlagen hatte, zunächst fünf Millionen Barrel auf den Markt zu bringen, mit der Option, den Schritt zu wiederholen. Allein auf dieses Signal hin waren die Ölpreise am Freitag um 1,32 Dollar pro Barrel gefallen. Doch es bleibt offen, ob die Freigabe der 30 Millionen Barrel den Markt längerfristig beeinflussen kann.
Opec-Präsident Ali Rodriguez, Venezuelas Erdölminister, erwartete zwar für Montag ein weiteres deutliches Absinken der Preise, hält das aber nur für ein kurzfristiges Phänomen. Allerdings, so Rodriguez in einem Fernsehinterview, könnte die Maßnahme den auf Spekulationen zurückzuführenden Preisanteil von vier bis acht Dollar pro Barrel deutlich senken.
Schon seit Monaten war in den USA über die Nutzung der strategischen Ölreserve debattiert worden. Die Entscheidung Clintons ist auch ein Kompromiss zwischen den entgegengesetzten Auffassungen des Energieministers Bill Richardson, der die Freigabe von 60 Millionen Barrel gefordert hatte, und Finanzminister Lawrence H. Summers, der eine solche Maßnahme als „unsinnig“ und „gefährlichen Präzedenzfall“ brandmarkte.
Dass es schließlich Al Gore vorbehalten blieb, öffentlich die Initiative zu übernehmen, ist wohl dem Wahlkampf zuzuschreiben. Gegenkandidat George W. Bush warf der Regierung vor, die für Krisen- und Kriegszeiten angelegte strategische Reserve zu missbrauchen. Die Entscheidung sei kurz vor der Wahl ausschließlich politisch motiviert. Er kritisierte die Erdölpolitik der vergangenen zehn Jahre, die zu einer extremen Außenabhängigkeit der USA geführt habe, und forderte eine rasche Steigerung der Erdölförderung in den USA selbst. Die Clinton-Regierung hatte nicht zuletzt aus umweltpolitischen Gründen auf eine Ausweitung der Erdölproduktion in Alaska verzichtet. Von rund 18,6 Millionen Barrel Öl, die täglich in den USA verbraucht werden, sind etwa 10 Millionen importiert.
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