: Die EU sieht bloß „business as usual“
Das Nein Dänemarks, das nur zwei Prozent zur europäischen Wirtschaftskraft beiträgt, bedeutet für Eurokraten „nichts“
BRÜSSEL taz ■ Im Kulturzentrum „Corregio“, wo in der Nacht zum Freitag Brüssels dänische Gemeinde die Hochrechungen verfolgte, war die Stimmung beschwingt. Familienfeier zu Dixieklängen, Jubel und Klatschen bei jedem neuen Zwischenergebnis – egal, ob Ja oder Nein. Ein dänischer Journalist klärte seine Kollegen auf: „Es klatschen immer die, deren Heimatregion gerade ausgezählt wird. Sie freuen sich, wenn sie den Namen im Fernsehen sehen.“
Ein paar Meter weiter, im Pressezentrum der EU-Kommission, jubelte niemand. Gegen 21 Uhr, als das Nein unabänderlich schien, beachtete keiner mehr die Monitore. Stattdessen wandte man sich der Frage zu, was die dänische Entscheidung für Europa bedeuten könnte. Das offizielle Brüssel in Gestalt von Romano Prodi gab noch in der Nacht die Antwort: Nichts. „Die guten Ergebnisse, die nach 21 Monaten Einheitswährung erreicht sind, werden durch die dänische Entscheidung nicht berührt.“ Gestern früh kam das Echo vom Vorsitzenden des Ecofin-Rats, Laurent Fabius: „Die dänische Regierung steuert zwei Prozent zur EU-Wirtschaftskraft bei. Ihr Nein ändert die Situation des Euro nicht.“ Wim Duisenberg, Chef der Europäischen Zentralbank, sprach von „business as usual“.
Nach wochenlangen beschwörenden Appellen an die Dänen, doch mit Ja zu stimmen, sagt das politische Europa also: Was dieses Minivolk da oben im Norden macht, ist uns egal. Totgeschwiegen wird die Signalwirkung auf Großbritannien und Schweden. Keine Rede mehr von der drohenden „Trabantwährung“, die entstünde, wenn sich die starken nordischen Wirtschaftsländer gegen den Euro entscheiden, während Tschechien, Slowenien und Polen an die Tür klopfen. Geleugnet wird auch, dass die dänische Entscheidung den Integrationsprozess der Union negativ beeinflussen könnte.
Dabei könnte Dänemark jetzt leicht zum Modell für ein Europa der zwei Geschwindigkeiten werden. Die Selbstverpflichtung zu positivem Denken wird das politische Brüssel dann wohl dazu bringen, den dänischen Sonderweg zum Zukunftsmodell zu erklären. An der EU-Peripherie lässt sich ganz gut leben – sofern man sich den Platz dort selber ausgesucht hat.
DANIELA WEINGÄRTNER
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