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Beten gegen rechts

Nach Anschlag auf Synagoge in Berlin ist die Betroffenheit groß. Grund zum Handeln sehen Politiker aber nicht

Die zertrümmerten Scheiben an der Synagoge im Berliner Bezirk Kreuzberg sind repariert, die beschmierte Gedenktafel haben Mitarbeiter der Gemeinde gereinigt. Nur noch Blumen am Zaun erinnern an die nächtliche Attacke auf das Gotteshaus. Doch geblieben ist die Wut. Der Anschlag auf die Synagoge sei „ein terroristischer Akt“, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin, Andreas Nachama, gestern.

Die Steinwürfe bedeuteten „einen Angriff auf die Verfassung“. Statt schöner Worte gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit, so Nachama, müssten die Politiker endlich handeln – und die Strafen verschärfen. Doch in Berlin pflegten die Verantwortlichen gestern weiter den „bestürzten“ Diskurs. Nach dem Anschlag auf die Synagoge im Bezirk Kreuzberg sahen sich weder Berlins Innensenator Eckart Werthebach (CDU) noch Polizeipräsident Hagen Saberschinsky veranlasst, stärkere Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Objekte vorzunehmen und deutlichere Aussagen gegenüber rechtsextremistischen Anschlägen zu treffen. Dass gestern dennoch verstärkt Polizisten vor dem Gebäude patrouillierten, geht auf eine Vereinbarung zwischen Innensenator und Jüdischer Gemeinde aus der vergangenen Woche zurück: Am Sonntag beginnt das Jom-Kippur-Fest.

Ein Schutz „rund um die Uhr“, sagte Werthebach nach dem Anschlag, könne nicht für alle Synagogen und andere jüdische Institutionen gewährleistet werden. Dafür fehle Personal. Die Berliner Synagoge war in der Nacht nur sporadisch überwacht worden: Eine Polizeistreife hatte einmal pro Stunde einen Rundgang gemacht. Erst in der Nacht zuvor hatten Unbekannte in Potsdam den jüdischen Friedhof geschändet. Auch dort war die Streife nur gelegentlich vorübergekommen.

Während sich Innensenator Werthebach noch „tief betroffen“ über den Steinwurf zeigte, suchte Saberschinsky bereits nach den Tätern. Es sei denkbar, dass sowohl rechte Täter als auch Personen „aus dem palästinensichen Spektrum“ den Anschlag verübt haben. Für den Abend haben Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, PDS und FDP zu einem „Solidaritäts-Sabbat-Gottesdienst“ aufgerufen. Beten gegen rechts? ROLA

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