: Unvollendete Vergangenheit
Die Technische Hochschule und die Humboldt-Universität standen frühzeitig hinter dem NS-Regime. Bis heute ist dieses unrühmliche Kapitel nicht aufgearbeitet worden
Am 4. Oktober 1935 wurde an der damaligen Technischen Hochschule (TH) in Berlin gefeiert. Mit großen Weihen wurde die „Fakultät für allgemeine Technologie“ in „Wehrtechnische Fakultät“ umbenannt. Sie leistete fortan treue Dienste für die Kriegsvorbereitung. Der Ort war gut gewählt: Studenten und Professorenschaft der TH standen fest hinter ihrem Führer. Bereits im Wintersemester 1930/31 erreichte der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB) bei den Wahlen zum Allgemeinen Studentenausschuss knapp 62 Prozent der Stimmen; der Durchschnitt im Reich lag bei 45 Prozent. Und bereits 1933 bekannten sich 82 von 399 Professoren und Assistenten zur Nazipartei. Als im April 1935 jüdische und andere „missliebige“ Professoren und Studenten per Gesetz die Hochschulen verlassen mussten, achtete die TH besonders akribisch auf die termingerechte Erfüllung. Diese Vertreibung, belegt eine Publikation der Technischen Universität (TU), „wurde mehr oder minder gleichgültig hingenommen“.
An der Humboldt-Universität stand man der TH kaum nach. „Die Beteiligung von Studierenden und Lehrenden an der Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 war ein für die Universität besonders beschämendes Ereignis“, heißt es knapp in der hauseigenen Chronik. Viele Gelehrte verließen daraufhin eine „Lehranstalt, die einst als Heimstätte des humanitären Denkens galt.“
Andere blieben, und sie blieben lange. Die verordnete Entnazifizierung, ab Juni 1945 durchgeführt von einem „Unterausschuss zur Prüfung der Eignung der Hochschullehrer für die Technische Hochschule“, setzte als Kriterien den Grad des politischen Engagements, Dauer der Mitgliedschaft in der NSDAP und das konkrete Verhalten an. Das bot weite Entscheidungsspielräume. Erst Ende November verfügte die britische Militärregierung den Ausschluss aller NSDAP-Mitglieder aus dem Lehramt. Kaum ein viertel Jahr später erklärte der Rektor der TU, Walter Kucharski, das gesamte Personal der TU als „denazifiziert“. Das Interesse an der Vergangenheit schwand, aktueller war jetzt der beginnende Kalte Krieg. Im Frühjahr 1949 verfügt die Alliierte Kommandantur ein Ende der Entnazifizierung. Daraufhin fanden etliche der entlassenen Parteigänger wieder Lohn und Brot in der wissenschaftlichen Lehre.
Auch eine weitere Instanz der demokratischen Bildung geriet zunehmend ins Hintertreffen: Neben dem technischen Fachstudium musste zunächst ein Humanistisches Begleitstudium, das „Studium Generale“ absolviert werden, das Menschen in die Lage versetzen sollte, „eine verantwortliche Stellung im Leben“ einzunehmen“, so der britische Stadtkommandant. 1968 wird es abgeschafft, nachdem es vorher heftige Debatten darüber gab, dass „nicht einmal Erwachsene, geschweige denn junge Menschen, die notwendige Reife und Distanz zu einer klaren Orientierung“ hätten. Dafür gab es in anderen Bereichen eine klare Orientierung: Kommunistisch eingestellte Professoren mussten bis Anfang der 50er-Jahre ihren Dienst quittieren. Als Grund reichte schon die Teilnahme an der Maidemonstration.
Blinde Flecken in der Chronik der Berliner Unis sind bis heute geblieben. Rainer Alisch, Lehrbeauftragter an der FU und NS-Forscher, bestätigt, dass es gerade bei der TU und HU noch großen Forschungsbedarf gebe.
HOLGER KLEMM
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