: Ein Rest Hoffnung
Bescheidene Erwartung an den Nahostgipfel: Ein Sicherheitsabkommen wäre schon ein Erfolg
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Erhöhte Alarmstufe war gestern in Israel ausgerufen. Im Vorfeld des heutigen Nahost-Krisengipfels im ägyptischen Sharm el-Sheikh warnte der militärische Nachrichtendienst vor neuen Terrorattentaten. Tausende Polizisten, Angehörige des Grenzschutzes und Soldaten waren im Einsatz, errichteten Straßenblockaden und führten Personenkontrollen durch. Vor allem in Einkaufszentren, auf Märkten und am Flughafen wurde das Sicherheitspersonal aufgestockt. Die Bevölkerung ist aufgerufen, über verdächtige Gegenstände der Polizei zu berichten. Geschäftsleute meldeten einen deutlich geringeren Kundenverkehr als sonst. Wenig Betrieb herrschte auch auf dem Flughafen Ben Gurion. Zahlreiche Touristen hatten ihre Reisen abgesagt.
„Die Terrorgefahr hat eine neue Stufe erreicht“, erkärte der Chef des Geheimdienstes. Die Gründe dafür lägen vor allem in der Entlassung der Aktivisten von Hamas und Djihad durch die palästinensische Autonomieverwaltung. Die palästinensischen Behörden hatten in den vergangenen Tagen viele Häftlinge entlassen, allein 64 in der Stadt Nablus. Die Häftlinge wurden inzwischen aufgefordert, sich erneut den Behörden zu stellen. Mindestens zehn sind diesem Aufruf bereits nachgekommen. Nach Angaben eines Hamas-Büros im Golfstaat Katar hätten gestern auch Palästinenserpolizisten wieder 34 Mitglieder der Organisation festgenommen. Unter ihnen befinde sich der erst am Donnerstag freigelassene Hamas-Führer Abdel-Asis el Rantissi. Mit den Festnahmen wolle, so Hamas, Arafat offenbar eine Forderung von Barak vor dem Gipfel erfüllen.
Entgegen israelischen Berichten ist der berüchtigte Sprengstoffspezialist Muhammed Deif offenbar nicht unter den am Donnerstag entlassenen Häftlingen. Die liberale Tageszeitung Ha¥aretz meldete gestern, dass Deif unter Hausarrest stehe. Deif gilt als der Drahtzieher der Terrorserie im Frühjahr 1996, der insgesamt 60 Israelis zum Opfer fielen. Unter den Entlassenen befinden sich Informationen des israelischen Militärs zufolge indes mindestens drei Palästinenser, die an der Vorbereitung der Terrorattentate beteiligt waren. Es bestehe von Seiten der palästinensischen Behörden „grünes Licht“ für Attentate, meinte der Geheimdienstchef.
Das heutige Gipfeltreffen soll zuallererst der derzeitigen Gewaltwelle ein Ende bereiten und die Kooperation der Sicherheitskräfte auf beiden Seiten verbessern helfen. Er findet in einem unüblich großen Rahmen statt, der die Besorgnis der Weltöffentlichkeit widerspiegelt. Neben Ehud Barak, Jassir Arafat und Bill Clinton ist als Gastgeber der ägyptische Präsident Hosni Mubarak dabei. Außerdem sollen Jordaniens König Abdullah, UN-Generalsekretär Kofi Annan und der Außenpolitikkoordinator der EU, Javier Solana, kommen.
Hoffnung auf eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen gibt es im Moment so gut wie keine. Immerhin stellten weder Israel noch die Palästinenser Vorbedingungen für ihre Teilnahme an dem Gipfel. Die Israelis betonten, dass im Verlauf des bevorstehenden Treffens keine Endstatus-Verhandlungen stattfinden werden. Oppositionschef Ariel Scharon, der in den vergangenen Tagen mehrfach zu Koalitionsverhandlungen mit Premier Barak zusammengetroffen ist, warnte: Er werde, wenn in Sharm el-Sheikh über weitere Schritte im Friedensprozess verhandelt werden sollte, alles daran setzen, die jetzige Regierung zu stürzen.
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