: „Ein kleiner Staat, aber eben unser“
Montenegros stellvertretender Regierungschef, Dragisa Burzan, beharrt auf Unabhängigkeit seines Landes
taz: Herr Burzan, Sie haben immer auf der staatlichen Unabhängigkeit Montenegros bestanden. Stehen Sie noch dazu?
Dragisa Burzan: Sicherlich ist mit den Ereignissen in Belgrad etwas in Bewegung geraten. Aber grundsätzlich bleiben wir bei unseren Positionen. Wir halten fest an dem Ziel, die Unabhängigkeit unseres Landes zu erreichen.
Werden Sie Koštunica als Präsidenten anerkennen?
Das Sozialistische Jugoslawien hat 1991 aufgehört zu existieren. Das Jugoslawien, das seitdem bestanden hat, war der Staat des Slobodan Milošević. Montenegro hat in diesem Rahmen nur formal existiert, faktisch jedoch nicht. Wir haben die Wahlen für die Institutionen dieses Staates abgelehnt. Folglich sind wir auch nicht in der Lage, den Präsidenten dieses Staates, selbst wenn er Vojislav Koštunica heißt, anzuerkennen. Koštunicas Präsidentschaft ist illegal.
Sie können die Veränderung doch nicht ignorieren.
Das tun wir auch nicht. Wir wollen eine Übereinkunft mit Serbien, wir wollen unsere Beziehungen neu definieren. Deshalb stehen wir in einem Verhandlungsprozess mit der neuen Führung. Das bedeutet aber nicht, dass wir von unserem Ziel ablassen. Die Menschen hier wollen frei sein. Montenegro hat über Jahrhunderte als unabhängiger Staat auf dem Balkan existiert. Erst 1918 wurden wir okkupiert.
Die internationale Gemeinschaft will nicht noch weitere Kleinstaaten auf dem Balkan, sie will Jugoslawien zusammenhalten.
Montenegro ist ein kleiner Staat, aber es ist eben unser Staat, wir haben keinen anderen. Wir werden alle demokratischen Regeln einhalten und das Volk über den künftigen Status selbst entscheiden lassen. Dieses Votum wird dann akzeptiert. Ich frage alle, die auf uns Druck ausüben wollen, ist es demokratisch, gegen den Willen des Volkes zu sein?
Wie geht es jetzt weiter?
Über die Prozeduren und die künftigen Beziehungen können wir mit Belgrad und der internationalen Gemeinschaft sprechen. Allerdings muss sich in Serbien erst einmal die Demokratie etablieren. Wenn Koštunica aber die jetzige Föderation als Mitglied der internationalen Organisationen etablieren will, können wir dies nicht akzeptieren.
Wie könnte eine Zusammenarbeit mit Serbien aussehen?
Es gibt Möglichkeiten, eine Art Union zweier unabhängiger Staaten zustande zu bringen, wenn die Völker in diese Entscheidung einbezogen sind.
INTERVIEW: ERICH RATHFELDER
Dragisa Burzan ist Vizepremier der Republik Montenegro und Chef der sozialdemokratischen Partei SDP
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