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König Bolz regiert

Wer in den Sportsendungen der ARD-Dritten mehr als Fußball erwartet, kann abschalten. Dafür gibt es solide Berichte jenseits der „ran“-Hysterie

von ALF IHLE

Dem Kabelfernsehen sei Dank: Wer über starke Nerven verfügt, hat jeden Sonntagabend die Qual der Wahl. Gleich nach dem „Tatort“ im Ersten fällt der Startschuss, dann messen sich fünf dritte ARD-Programme in der Gunst der Sportfans. Doch wer Skurriles aus der Provinz erwartet, wird bitter enttäuscht. Die deutschen Islandpferdemeisterschaften in Lünzen fehlen ebenso wie das Brieftaubenwettessen von Grevenbroich: Auch in den Dritten regiert König Bolz.

„Sport Tribüne“ auf Bayern 3 heißt die Sendung, die den Bajuwaren ein schwarzes Kickerwochenende verkaufen muss. Christian Materna, einem gebürtiger Berliner (!), gelingt das Bayrisch souverän. Trachtenlos, aber mit gut gerolltem „R“ wird alle Schuld auf Christoph Daum geschoben und zur Karateweltmeisterschaft in München übergeleitet. Schon professionell, aber sympathisch?

Um Sympathie muss Peter Großmann nicht lange buhlen. Beim WDR-„Sport im Westen“ krepiert der Sänger (26 Schallplatten) und Comedy-Autor förmlich vor Witz und guter Laune. Gegen diesen Frohsinn vermag auch die Tragik eines Marcel Wüst nicht anzukommen: Seit seinem schweren Sturz einäugig, war der Sprintstar der Tour de France zum Thema Radweltmeisterschaft eingeladen. Dazu noch ein wenig German Open der Federballer, ansonsten Fußball über alles – egal ob erste, zweite oder neuerdings ja auch noch dritte Liga: Wenn irgendwo im Ruhrgebiet ein Tor fällt – Peter Großmann hat sie alle.

Umschalten zum MDR: Zur größten Überraschung wird die „Sportarena“ nicht von Achim Menzel moderiert. Conny Fröhlich heißt zwar so, wie die ausgeleierte Pausbacke gern wäre, hat ansonsten mit ihm aber gar nichts gemein. Gekonnt leitet die dunkelhaarige Schönheit durch die Sendung. Wahrscheinlich ist sie deshalb auch schon nach 15 Minuten zu Ende. Schade!

Das kann man auch beim Ostdeutschen Rundfunk sagen. Zwar nicht schade, dass Energie Cottbus und damit ganz Brandenburg den großen FC Bayern geschlagen hat. Im Gegenteil, da wird ein Telefass aufgemacht, dass die Bildröhre nur so scheppert. Nein, schade, dass dort für „Einwurf“ ein Radioreporter vor Fernsehkameras montiert wurde. Denn nun kann ihn jeder sehen: Andreas Ulrich, so der Name des Grinseberts in Grau, fuchtelt die gesamte Sendezeit so hektisch mit seinem Kugelschreiber herum, dass der Zuschauer Angst bekommt, das Schreibgerät könne sich im Ohrring verfangen und so den ganzen Lappen abreißen. Sportlich geboten wird Cottbus, Cottbus, Cottbus, als hätte Energie den Abstieg schon vermieden. Für Interviews wird die gesamte Lausitz vor die ORB-Mikrofone gezerrt, und in Gesprächen mit den Spielern zeigt der schofelige Ulrich, dass sogar die Schleimerei eines Waldi Hartmanns noch eskalieren kann. Wo viel Schatten, ist auch Licht: Den Nachrichtenblock darf die junge Evelyn Hamann verlesen. Sie nennt sich nun Lisa Hämmelmann, und wer die alten Loriot-Folgen verpasst hat, kann sich hier einen fipsigen Rückblick gönnen.

„Mehr als Talk und Tore“ verspricht „Sport 3“, ausgestrahlt beim NDR. Eine Zusage, die zum Glück nicht eingehalten wird. Denn der Fan will eben Talk und Tore, und die bekommt er satt. Auch wenn ihn anfangs das Entsetzen befällt: Moderatorin Silke Samel tritt nämlich an in Wanderstiefeln und Strumpfhose unter dem wohl längsten Schlitz im Kleid, den das Fernsehen je versendet hat. Das riecht stark nach RTL 2, doch wenn die ehemalige Sportgymnasiastin mit ihren Gästen Dieter Eilts und Thomas Allofs über die Fußballbundesliga diskutiert, legt sich der Schrecken und der Zuschauer fühlt sich wohlig aufgehoben und ausgezeichnet informiert in einer Sportsendung abseits der privaten „ran“-Hysterie oder des nationalen Olympiageschreis. Jedenfalls im glücklichen Norden.

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