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Auftrag kam aus Libyen

Vor dem Frankfurter Landgericht nannte der Beschuldigte Hans-Joachim Klein Libyen als Organisator des Opec-Überfalls. Geiselnahme sollte Solidarität der Erdölstaaten mit Palästinensern erzwingen

Aus Frankfurt HEIDE PLATEN

Im Prozess vor dem Frankfurter Landgericht hat Hans-Joachim Klein gestern erstmals zum Überfall auf die Opec-Ministerkonferenz vom Dezember 1975 in Wien ausgesagt. Das Attentat sei zwar eine deutsch-arabische Gemeinschaftsaktion der palästinensischen Befreiungsbewegung PFLP und der deutschen Revolutionären Zellen (RZ) gewesen. Idee, Waffen und Informationen seien aber aus dem Opec-Mitgliedsland Libyen gekommen. Durch die Entführung ihrer Minister habe man die Petro-Länder, so Klein, „zu mehr Solidarität mit den Palästinensern“ zwingen wollen.

Die Tat, bei der drei Menschen ermordet, drei weitere schwer verletzt und 70 Geiseln genommen wurden, sei in Wien drei Wochen lang von Hotels und angemieteten Wohnungen aus vorbereitet worden. Eine Woche vor dem Überfall auf das Haus der Konferenz der Erdöl exportierenden Länder hätten er, Klein, und rund zehn Kommandomitglieder in der Wohnung einer Wiener Kammersängerin auf Waffen und Informationen über das Opec-Gebäude gewartet.

Mehrere Treffen mit den libyschen Kurieren seien geplatzt. Die Aktion wäre daher beinahe abgesagt worden, so Klein gestern. Insgesamt seien sie rund zehn Personen gewesen, darunter auch Illich Ramirez Sanchez alias „Carlos“ und vier deutsche RZ-Mitglieder. Die Anmietung der benötigten Wohnungen und Autos hätten die Revolutionären Zellen erledigt.

Klein war in den 60er- und 70er-Jahren eine der wichtigsten Figuren der linksextremen Szene in Frankfurt.Nach jahrelanger Fahndung war er 1998 in Westfrankreich festgenommen worden.

Unklar blieb auch gestern die Rolle des Mitangeklagten Rudolf Schindler, der Klein zu dem Anschlag angestiftet haben soll. An diesen Vorbereitungen sei auch der 57-jährige Rudolf Schindler beteiligt gewesen, der ebenfalls in Frankfurt vor Gericht steht. Das hatte Klein schon bei seinen ersten Vernehmungen nach seiner Auslieferung aus Frankreich 1998 bei der Polizei ausgesagt.

Gestern räumte er auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Heinrich Gehrke ein, dass er selber Schindler in Wien nicht gesehen habe. Er habe nur gehört, dass dieser bei den Vorbereitungen dabei sei.

Zuvor hatte Klein ausführlich über seine Anwerbung für das Attentat berichtet. Dazu habe er sich im Herbst 1975 mit den damals schon untergetauchten Mitgliedern der Revolutionären Zellen, Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann, im Frankfurter Stadtwald getroffen. Schindler sei auch dabeigewesen. Er habe ihnen erst gesagt: „Das ist unmöglich. Das sind so mächtige Leute.“ Er habe sich Bedenkzeit ausgebeten und nach „reiflicher Überlegung“ zugesagt.

Er sei dann zur Schweizer Grenze gebracht worden, habe diese illegal überquert. Auf der anderen Seite sei er abgeholt und nach Zürich gefahren worden. Dort habe er sich mit dem damaligen „RZ-Chef“ Wilfried Böse getroffen und sei mit diesem im Zug nach Wien gereist.

Gerade bei seinen den Mitangeklagten Schindler belastenden Aussagen wirkte Klein gestern weniger sicher als noch am ersten Prozesstag. Zum Auftakt der Verhandlung am Montag hatte er geschildert, dass er ein Jahr nach dem Attentat aus dem Terrorismus aussteigen wollte und deshalb um sein Leben gefürchtet hatte. Er sei sich damals sicher gewesen, dass Schindler alias „Max“ oder „Scharif“ ihn in einem Versteck der Revolutionären Zellen, einem einsamen Bauernhaus im italienischen Aosta-Tal, „entweder entführen oder umbringen“ wollte. Auch hier hatte er, sagte Klein gestern, Schindler nicht selbst gesehen, sondern nur gesagt bekommen, der sitze vor dem Haus im Auto. Schindler selbst schwieg während des Prozesses, seine Anwälte bestritten die Vorwürfe.

Zur Rekonstruktion des Hergangs diente ein vom Landeskrininalamt eigens dafür gebautes maßstabgetreues Pappmodell des Wiener Opec-Gebäudes.

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