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„Dieser Kalif ist des Todes“

Der „Kalif von Köln“, Metin Kaplan, steht vor Gericht. Er soll Mord an Konkurrenten befohlen haben. Staatsanwältin: Kaplans Organisation als Staat mit eigenen Gesetzen

DÜSSELDORF taz ■ Scheinbar ruhig und emotionslos verfolgte Metin Kaplan gestern den Prozessverlauf. Doch der Eindruck trog. „Ihm ist die Sache auf den Magen geschlagen“, sagt seine Verteidigerin. Gestern war der 55. Verhandlungstag gegen den 48-jährigen Anführer der fundamentalistisch-islamischen Organisation „Kalifatsstaat“, seine rechte Hand Hasan Basri A. und den Studenten Harun A. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht wirft ihnen Rädelsführerschaft und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung – dem „Kalifatsstaat“ – sowie die öffentliche Aufforderung zu Straftaten vor.

Kaplan und seine Komplizen sollen zur Ermordung des Berliner „Gegenkalifen“ Ibrahim Halil Sofu aufgerufen haben, der am 8. Mai 1997 in seiner Wohnung von drei Vermummten erschossen wurde. Handelten die bis heute unbekannten Täter auf Grund einer verbindlichen Fatwa Metin Kaplans? Das glaubt jedenfalls die Staatsanwaltschaft.

Kaplan und Hasan Basri A. hätten im September 1996 auf einer öffentlichen Hochzeitsfeier in Berlin Todesdrohungen gegen den „Abweichler“ Sofu ausgesprochen, sagte Staatsanwältin Caroline Hillmann.

Hintergrund ist ein Machtkampf zwischen den beiden „Kalifen“, der Mitte der Neunzigerjahre zur Spaltung der autoritär strukturierten Organisation zu führen drohte. „Dieser Kalif ist unbedingt des Todes“, soll Kaplan daraufhin über seinen Konkurrenten gesagt haben. Für die Staatsanwaltschaft steht fest: Die fanatischen Anhänger Kaplans mussten sich wegen ihrer Gehorsamspflicht zur Ermordung Sofus aufgerufen fühlen.

Mitnichten, argumentierte Kaplan. Bei der Fatwa habe es sich lediglich um eine Mitteilung gehandelt, ihre Vollstreckung sei aufgehoben gewesen. Die Strafe könne nur in einem islamischen Staat vollzogen werden. Das sei allen Anhängern bewusst gewesen, so Kaplan in einer Erklärung.

Kaplans Organisation habe sich als eine Art Staat verstanden, Steuern erhoben, und über Strukturen eines – nach höchst autoritären Prinzipien strukturierten – Staates verfügt, sagt dagegen Staatsanwältin Hillmann. Damit habe einer Vollstreckung der Fatwa nichts im Wege gestanden.

Die Beweisführung gestaltete sich indes schwierig. Zeugen wirkten eingeschüchtert oder waren erst gar nicht zur Verhandlung erschienen. Lediglich ein ehemaliger Leibwächter Kaplans hatte den Kalifen Ende Juni schwer belastet: Er bestätigte die Existenz des Todesbannspruches. Das Urteil wird für Mitte November erwartet.

MARCUS MEIER

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