: Ein loyaler Fahrradfahrer
Zum ersten Mal wird ein Ostdeutscher Chefredakteur bei einem Fernsehsender
Radsport ist Randsport. Und dennoch brachte es ein Experte für Jan Ulrich & Co. zum Sportchef beim Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB): Nun wechselt Hagen Boßdorf – ebenso unerwartet – zur Politik und wird künftig als Fernseh-Chefredakteur auch andere publizistische Formate zu verantworten haben: Er ist damit nicht nur der erste ARD-Chefredakteur aus dem Osten, sondern wohl auch der athletischste.
Seine erste Karriere machte er noch in der DDR – als Leistungssportler, Handballer und Mitglied des berüchtigten „Trimm-Dich“-Wachregiments „Felix Dzierzynski“. Wegen „Disziplinverstößen“ mehrfach verwarnt und schließlich vom Sportinternat geworfen, studierte er ab 1986 in Leipzig Journalistik und Sport. Mit dem Diplom in der Tasche arbeitete er seit 1990 zunächst als Radioreporter für den Berliner Rundfunk und dann für das Jugendradio DT 64.
Nach einem kurzen Intermezzo als Printjournalist – als Sportreporter bei der taz – wechselte Boßdorf als Moderator zu „elf 99“, einem Jugendmagazin des Deutschen Fernsehfunks. 1992 ereilte ihn dort dann der Ruf nach Potsdam: Für den ORB sollte er eine Sportredaktion auf die Beine stellen. Nachdem er den organisatorischen Teil seiner Arbeit offenbar mit Bravour erledigt hatte, konnte er 1996 endlich wieder als Journalist reüssieren: Jan Ullrich und das Team Telekom gewannen die Tour de France, in Deutschland begeisterte man sich plötzlich für Fahrradfahrer – und Radsportexperte Boßdorf war wieder zur richtigen Zeit am richtigen Ort, dem Mikrofon.
Auch seine bisherige Feuertaufe bestand Boßdorf bei der Tour de France. 1999 nämlich hatte er „einen Tag zu spät“ über Dopingfälle berichtet, weil die ARD als Sponsor des Team Telekom kalte Füße bekam. Die notgedrungene Rücksicht auf die ARD-Marketingabteilung, die ihm selbst Magenschmerzen und reichlich Kritik einbrachte, empfahl ihn wohl aber auch als auch in kritischen Situationen loyalen Mitarbeiter.
Und deshalb freut sich ORB-Intendant Rosenbauer, für den jahrelang brachliegenden Posten des Fernsehchefs den richtigen Mann gefunden zu haben: Boßdorf konnte sich gegen die Platzhirsche im Sportressort durchsetzen, nun soll er den ORB meinungsstark in der ARD-Chefredakteursrunde vertreten.
Zunächst aber wolle er, so Boßdorf, den Sender intern konsolidieren und zwischen den verschiedenen Abteilungen vermitteln. Eine Leidenschaft scheint sich der Fernsehchef dennoch bewahrt zu haben: 2001 wird er wieder als Reporter von der Tour de France berichten. ARNO FRANK
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