Kokain im Bundestag? Völler, hilf!

Ein Drogenskandal erschüttert den Deutschen Bundestag. Dessen Präsident behandelt den Fall nur routinemäßig. Die Drogenbeauftragten reden wirr durcheinander. Wann wird Wolfgang Thierse durch den Vollblutpolitiker Rudi Völler ersetzt?

von JENS KÖNIG

Uli Hoeneß hat sich noch nicht gemeldet. Dabei wäre es höchste Zeit, dass er von München aus den Daum-Test macht, Wolfgang Thierse tief in die Augen schaut und dann die Aufklärung der unglaublichen Kokaingerüchte fordert. Sat.1 will herausgefunden haben, dass es im Bundestag und im Berliner Abgeordnetenhaus Spuren von Kokain gibt.

Ein Reporter des Magazins „Akte 2000“ hat im Reichstag in 28 Herrentoiletten (!) so genannte Wischproben genommen. Mit sterilen Papiertüchern, aber ohne Handschuhe wischte er über Klodeckel, Fliesen und Spülkästen, versiegelte die Tücher in Plastikröhrchen und schickte sie an den Nürnberger Drogenspezialisten Professor Fritz Sörgel. Dessen erschütternder Befund: 22 Proben sind positiv. Die vier Kabinen der Herrentoilette auf der Präsidialebene (Toilettenraum „2 NO 27“, nur wenige Schritte entfernt vom Büro des Bundestagspräsidenten Thierse!): alle positiv. Die Klos auf der Fraktionsebene, eines davon unmittelbar neben dem Büro des CDU/CSU-Fraktionschefs Friedrich Merz: positiv. Ist das etwa deutsche Leitkultur?

Die Analysen ergaben eine Konzentration von bis zu 3 Milligramm Kokain. Jetzt stellen sich natürlich Fragen. Die wichtigste: Nehmen unsere Politiker etwa Drogen? Sind sie gar schon krank? Haben die ersten Bundestagsabgeordneten bereits Flieger nach Florida gebucht? Ehepartner, Freunde, Angehörige – haben die denn nie etwas bemerkt? Ist die Steuerreform nur verabschiedet worden, weil es Drohungen aus dem Milieu gab?

Da Uli Hoeneß die Aufklärung nicht vorantreibt, redet alles wild durcheinander. Thierse fordert die Staatsanwaltschaft auf, sich der Sache anzunehmen. Die Bundestagsverwaltung selbst werde aber keine Ermittlungen anstellen. Thierse verweist darauf, dass der Reichstag ein „ziemlich offenes Haus“ sei und auf allen Etagen nicht nur Abgeordnete, sondern auch Mitarbeiter, Journalisten und Gäste verkehrten. Die Staatsanwaltschaft erklärt, sie wolle die angeblichen Kokainfunde prüfen. Erst danach könne über weitere Schritte entschieden werden. Der Ältestenrat des Bundestages wird sich kommende Woche mit der Sache befassen. „Das ist eine Geschichte mit vielen Fragezeichen“, begründete der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Jörg van Essen, den Antrag der Liberalen.

Die Bundestagsabgeordneten reden ganz aufgeregt durcheinander. Kokain macht leistungsfähig, heißt es immer. Die Erklärungen insbesondere der Drogenbeauftragten lassen nicht darauf schließen. Die Drogenbeauftragte der Regierung, Christa Nickels (Grüne), hält die ganze Aktion für „sehr fragwürdig und unseriös“. Es sei absurd, zu glauben, es gebe Gruppen in der Gesellschaft, die frei von Sucht und Drogenmissbrauch seien. „Aber das, was da jetzt suggeriert wird, ist genauso absurd“, sagt Nickels. Der Drogenbeauftragte der Union, Hubert Hüppe, hat jedoch keinen Zweifel, dass im Bundestag gekokst wird. Parlamentarier seien sogar besonders gefährdet, meint Hüppe. Sie müssten „ständig fit sein“ und lebten weit weg von zu Hause. „Wir brauchen keine Drogen“, entgegnet der Drogenexperte der FDP, Detlef Parr, „die Politik ist schon Droge genug.“ Der Drogenbeauftragte der Kohl-Regierung, Eduard Lintner (CSU), erklärt, er würde sich einem Haartest nicht verweigern.

Und wenn der Test positiv wäre? Bei mehreren Abgeordneten? Dann müsste Rudi Völler ran. Neben seiner Arbeit beim DFB und bei Bayer Leverkusen könnte er auch noch das Amt von Thierse als Teamchef des Deutschen Bundestages übernehmen. Dann gäbe es bestimmt bald auch keinen Rechtsextremismus mehr.