piwik no script img

Polnischer Punk wurde abgeschoben

Der 24-jährige Pole, der bei einer Schlägerei mit einem mutmaßlich neonazistischen Bauarbeiter von einem Zug erfasst wurde und dabei ein Bein und einen Arm verlor, ist nicht mehr in der Stadt. Übermorgen sollte er vor Gericht aussagen

Der Punk, der in Folge einer offensichtlich rassistisch motivierten Schlägerei mit einem Bauarbeiter einen Arm und ein Bein verloren hat, ist in seine polnische Heimat abgeschoben worden. Dies bestätigte sein Anwalt Stephan Werle der taz. Die Abschiebung wurde am vergangenen Freitag durchgeführt – obwohl der Punk Krystian W. übermorgen vor dem Amtsgericht Tiergarten gegen den Bauarbeiter Ronny K. aussagen sollte. Wie berichtet, hatten sich Krystian W. und Ronny K. am 26. Juli vergangenen Jahres auf dem S-Bahnhof Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg geprügelt. Dabei war Krystian W. auf die Gleise gefallen und von einer S-Bahn erfasst worden.

Ein Sozialarbeiter des „Karuna-Mobils am Alex“, der sich um obdachlose Jugendliche kümmert, sagte, nach seinen Informationen ist Krystian W. in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag in einem noch teilweise besetzten Haus von der Polizei aufgegriffen worden. Danach sei der obdachlose Punk, der sich illegal in Berlin aufhielt, noch in der Nacht in das Abschiebegefängnis in Köpenick gebracht worden. Bereits am Freitag Morgen wurde er abgeschoben.

Rechtsanwalt Werle bestätigte diese Informationen. Zwar sei es „eher ungewöhnlich“, dass derart schnell abgeschoben werde, nachdem Krystian W. offenbar nur zufällig von der Polizei aufgegriffen worden sei. Er gehe aber davon aus, dass die Ausländerbehörde nichts von dessen Vorladung vor das Amtsgericht gewusst habe. Ohne ähnliche Fälle zu kennen, könne er sich vorstellen, dass Zeugen schon allein wegen des Gebots der Amtshilfe normalerweise nicht abgeschoben würden, solange sie nicht vor Gericht ausgesagt hätten.

Unklar sei, wo Krystian W. sich jetzt befinde. Bis zum Donnerstag wird es nach Einschätzung Werles kaum möglich sein, ihn in Polen zu finden, um ihn im Prozess gegen Ronny K. anhören zu können.

Der 24-jährige Krystian W. lag nach dem Sturz auf die S-Bahngleise wochenlang im Koma. Nach Aussage von Krystians W.s Freunden hatten Ronny K. und seine Bauarbeiterkollegen ihre Punkgruppe vor der Schlägerei mit rassistischen Sprüchen belästigt. Nachdem die streitenden Gruppen zunächst von einem Schaffner besänftigt und getrennt werden konnten, seien sie sich später im S-Bahnhof Greifswalder Straße wieder begegnet. Unklar ist, wie es dort zu der Schlägerei gekommen ist. Mehrere unabhängige Zeugen sagten, dass es Krystian W. gewesen sei, der auf Ronny K. losgegangen sei.

Ronny K., 25 Jahre alt, betonte vor Gericht, er habe den Streit nicht angezettelt. Krystian W. habe „irgendwie das Gleichgewicht verloren“. Der Bauarbeiter hob hervor, er habe keine neonazistische Gesinnung. Dagegen spricht, dass Ronny K. eine in der Neonazi-Szene häufig anzutreffende Kurzhaarfrisur trägt. Nach Informationen von Rechtsanwalt Werle geht aus den Gerichtsakten hervor, dass der Bauarbeiter an einem Arm ein Hakenkreuz-Tattoo hat. PHILIPP GESSLER

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen