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Berlin will „vierte Kraft“ werden

Beim Strompoker um die Bewag-Übernahme zeichnet sich eine Lösung ab: Der Senat verabschiedet sich vom US-Unternehmen Southern Energy, und der Stromkonzern Eon soll 70 Millionen als Ausgleich für nicht geschaffene Arbeitsplätze zahlen

von RICHARD ROTHER

Im Kampf um die Übernahme der Bewag scheinen die Weichen gestellt. Zwar hat der Senat auf seiner gestrigen Sitzung noch nicht den Einstieg der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) freigegeben – grundsätzlich hat er sich aber auf Eckpunkte für eine Vereinbarung mit den Energieunternehmen Eon und HEW unter Einschluss des schwedischen Konzerns Vattenfall geeinigt. Dadurch soll der Weg zur Bildung einer „vierten Kraft“ am deutschen Energiemarkt geebnet werden. Nach den Vorstellungen des Senats sollen HEW, Bewag und „gegebenfalls“ der US-Konzern Southern Energy ein gemeinsames Gebot für den zum Verkauf stehenden ostdeutschen Stromversorger Veag abgeben. Ein solches Gebot muss in der nächsten Woche vorliegen.

Die Amerikaner, bisher Miteigentümer der Bewag und Lieblinge des Senats, wären damit aus dem Rennen – zumindest als beherrschende Kraft in dem neuen „ostdeutschen“ Konzern. Nach den Senatsvorstellungen können sie jetzt lediglich mit einem einem Anteil von 25,1 Prozent an dem neuen Konzern rechnen. Die Amerikaner lehnen das bisher ab. Der Senat hat sich mittlerweile zu HEW/Vattenfall durchgerungen, weil er die Chancen von Southern bei der Veag als gering einschätzt – zu groß scheinen die Vorbehalte gegen einen zu starken amerikanischen Einfluss auf dem deutschen Energiemarkt zu sein. Am Ende soll die Bewag aber nicht isoliert und außerhalb des neuen Stromkonzerns stehen.

Sollte es zu dem gemeinsamen Angebot kommen, ist der Senat grundsätzlich bereit, auf gewisse Rechte gegenüber Eon zu verzichten und eine einstweilige Verfügung gegen den Stromkonzern zurückzuziehen. Eon will seinen Bewag-Mehrheitsanteil an die HEW abtreten. Dagegen hatte der Senat im August eine einstweilige Verfügung eingereicht, weil er die Eigenständigkeit der Bewag bedroht sah.

In seinen Gesprächen mit HEW und Eon hat sich der Senat jetzt auf ein Procedere geeinigt. In vielen Punkten sei eine Annäherung erzielt worden, so Finanzsenator Peter Kurth (CDU) gestern. So garantiert Eon die Schaffung von 340 Arbeitsplätzen in Berlin, ansonsten würden Vertragsstrafen fällig. Darüber hinaus soll das Wassergeschäft des Konzerns nach Berlin verlegt und ein neues Stromhandelszentrum errichtet werden. Eon erfüllt damit allerdings nicht die Verpflichtung aus dem Bewag-Privatisierungsvertrag, bis 2003 800 Arbeitsplätze in der Stadt zu schaffen. Zum Ausgleich soll Eon nun 70 Millionen Mark in die Landeskasse einzahlen.

Unklar ist allerdings noch, in welcher Form die schwedische HEW-Mutter Vattenfall der Vereinbarung beitrete, so Kurth. Man hoffe, in der nächsten Woche so weit zu sein. Damit wolle der Senat sicherstellen, dass die von den HEW eingegangenen Verpflichtungen auch dann Bestand hätten, wenn die HEW unter einer ostdeutschen Stromholding nicht mehr als eigenständiges Unternehmen bestehen sollten. Bei einem Zuschlag für die Veag werde der gesellschaftsrechtliche Sitz und wirtschaftliche Schwerpunkt der „vierten Kraft“ in Berlin sein.

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