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Grüne für Integration ohne Zwang

Mit ihrem Drei-Säulen-Modell zur Einwanderungspolitik wollen grüne Spitzenpolitiker das Asylrecht sichern, die Integration fördern – und die CDU überholen. Doch bisher gibt es nur ein „Autorenpapier“. Die Partei muss das Konzept erst noch absegnen

von SEVERIN WEILAND

Die Verwirrung war vollständig. Hatten die Grünen nun ein offizielles Papier zur Einwanderungspolitik vorgelegt? Oder nur eine Ansammlung von Einzelpositionen? Die 16 Seiten umfassende Vorlage mit dem Titel „Einwanderung gestalten, Asylrecht sichern, Integration fördern“ wurde in der gestrigen Pressekonferenz vorsorglich als „Autorenpapier“ vorgestellt.

An dem Papier mitgearbeitet hatten gleich alle, die in Partei und Fraktion mit Immigration zu tun haben: Parteisprecherin Renate Künast, Fraktionschefin Kerstin Müller, die Ausländerbeauftragte Marieluise Beck, die Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir und Claudia Roth sowie die Sprecherin der grünen AG ImmigrantInnen und Flüchtlinge, Petra Hanf. Das Papier soll, so Müller, eine Debatte beginnen, „innerhalb der Partei und in der Gesellschaft“.

Hinter den Kulissen, so hieß es gestern aus den Reihen der Grünen, hatte es zwischen Müller und Künast einen Streit um Verfahrensregeln gegeben. Künast, so hieß es, bestand darauf, dass der Parteirat offiziell über die Vorstellungen zur Einwanderungspolitik entscheidet. Offiziell beendet werden soll der Konflikt nun am kommenden Montag. Dann wird eine verkürzte Vorlage, die Künast auf der Grundlage des Autorenpapiers erarbeiten wird, dem Parteirat (dem auch Müller angehört) zur Beschlussfassung vorgelegt.

Künast, die in der vergangenen Woche mit ihren Äußerungen Zweifel am grünen Konzept der „multikulturellen Gesellschaft“ ausgelöst hatte, versuchte gestern, die Missverständnisse aufzulösen. Multikulturalität sei nur „eine Seite der Wirklichkeit“, die andere sei die Frage, was das „einigende Band“ für das Zusammenleben sei. Dafür verwendete Künast den Begriff der „multikulturellen Demokratie“, zu der sie die demokratischen Prinzipien und die Achtung der Gleichheit der Geschlechter zählt.

Müller warf der Union vor, mit ihrer „Leitkultur in Deutschland“ im „national-konservativen Mief“ verhaftet geblieben zu sein. Nach Aussage Müllers soll es noch in dieser Legislaturperiode zu einem Einwanderungsgesetz kommen. Beck wandte sich dagegen, in der jetzigen öffentlichen Debatte das Asylrecht anzugreifen. Die zitierten Zahlen, wonach nur drei Prozent der Asylbewerber anerkannt würden, seien nicht vollständig. Diese Zahlen bezögen sich nur auf die Anerkennung nach dem Grundgesetz. Weitere 25 bis 30 Prozent würden nach der Genfer Flüchtlingskonvention und anderen internationalen Verpflichtungen ein Bleiberecht erhalten, zusätzliche 20 Prozent mit einer Duldung vor Abschiebung bewahrt.

In ihrem Papier sprechen sich die Grünen ausdrücklich für eine gesteuerte Zuwanderung nach einem so genannten Drei-Säulen-Modell aus: Dieses umfasst Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen; aus humanitären und politischen Gründen und durch Asylgewährung, Familiennachzug und im Rahmen der EU-Freizügigkeit. Eine Gesamtquote für Einwanderer halten die Grünen für überflüssig. Diese sei „zu starr und unflexibel“, auch könnten schlechterdings Computerspezialisten mit Bürgerkriegsflüchtlingen aufgerechnet werden. „Eine objektiv messbare Belastungsgrenze gibt es nicht“, heißt es in dem Papier.

Strikt wandte sich Beck gegen den Zwang zum Sprachunterricht, wie es etwa die CDU verlangt. Eine Pflicht würde etwa die Gruppe der EU-Bürger, die sich im Rahmen der Freizügigkeit in Deutschland niederlassen, gar nicht berühren. Es sei besser, Angebote zu machen. Ausdrücklich erhalten wollen die Grünen das individuelle Anrecht auf Asyl. Nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgungen sollten zudem als Gründe künftig anerkannt werden. Sowohl bei der Einwanderung aus wirtschaftlichen als auch politischen oder humanitären Gründen wollen die Grünen ein transparentes Verfahren. Gesellschaftliche Interessengruppen sollten angehört, der Bundestag und Bundesrat über die Größenordnungen der Aufnahme in regelmäßigen Abständen entscheiden. Bei Wirtschaftsimmigranten können sich die Grünen auch Teilquoten nach Branchen vorstellen.

Bei der Aufnahme aus humanitären Gründen soll die Bundesregierung einen besonderen Spielraum habe – um etwa in akuten Krisensituationen (Bürgerkrieg oder Umweltkatastrophen) schnell reagieren zu können. Zusätzlich sollen jene Menschen, die nur vorläufig aufgenommen wurden, aber aus humanitären Gründen nicht in ihre Heimat zurückkehren können, ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten.

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