: Im vollen Bus zur Kulturhauptstadt
■ Helga Trüpel erläuterte die kulturpolitischen Leitlinien der grünen Opposition
Derzeit formulieren nicht nur im FAZ-Feuilleton Kybernetiker, Hirnforscher und Genom-Analytiker die Leitkultur der Menschheit von morgen. Doch wenn's um die Loriot'schen Grundfragen des Lebens „Wer bin i, wo bin i, wos bin i?“ geht, ergeht sich die Naturwissenschaft zumeist in technizistischen Machbarkeitsphantastereien. Die Kunst aber, glaubt Helga Trüpel, weiß noch ums menschliche Maß, um Sinnfindung und Selbsterkenntnis. Weshalb die kulturpolitische Sprecherin der Grünen glaubt: Je höher der Kulturetat, desto besser die Welt. Auf die Bremer Sanierungsverhältnisse angewendet heißt das: Die oppositionellen Grünen fordern wenigstens den Erhalt des Status quo, zuzüglich der Tarifsteigerungen.
Denn noch gilt auch für den Kulturetat das so genannte Sanierungssicherstellungsgesetz der Großen Koalition, was bedeutet, dass dort bis 2005 30 Prozent eingespart werden muss. „Eine Katastrophe“, sagte Trüpel auf einer Pressekonferenz, bei der sie die Eckpfeiler eines grünen Gegenmodells erläuterte.
Was Kultursenator Bernt Schulte (CDU) tatsächlich oder dem Trüpel'schen Hörensagen nach will, diktiert der Opposition quasi von allein das eigene Programm. Keine Schließung der Tanztheatersparte 2004, weitere Förderung des mittellosen Festivals Tanzherbst, kein Ausspielen des Philharmonischen Orchesters gegen die Kammerphilharmonie – beide müssen ebenso wie das von Abwanderungsgedanken getragene Tanzfilminstitut in Bremen gehalten werden. Die unter besonderer Geldnot leidenden Frauen- und Soziokulturprojekte müssen ebenso besser gestellt werden wie die zeitgenössischen Musikveranstalter pgnm und dacapo. Für Bremerhaven wünscht sich Trüpel ein Auswanderermuseum, fürs Focke-Museum eine Dependance im Hafen, für die Volkshochschule einen neuen Standort in den Räumen der Stadtbibliothek Neustadt. Eine Privatisierung der Kulturverwaltung wollen die Grünen nicht, dafür aber die Bewerbung Bremens als Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2010.
Doch Trüpel weiß auch: „Der Bus ist voll. Es muss jemand aussteigen, damit ein neuer rein kann.“ Was bedeutet, dass die in diesen grünen Plänen schlummernden Mehrausgaben auch finanziert werden müssen durch den Entzug der Mittel bei anderen Einrichtungen. Im Gegensatz zu Schulte scheue sie diesen Konflikt mit denen, die in der Vergangenheit eher durch Missmanagement als durch Kulturproduktion von sich reden machten, aber nicht. Auch für den Generationenwechsel machte sich Trüpel stark. Im Theater ebenso wie in der Soziokultur dürften die alten Zeiten nicht personell konserviert werden. Eine Spitze gegen Theaterintendant Klaus Pierwoß? Nein, das sei keine Frage des Alters. „Obwohl die jüngsten Intendantenwechsel in Berlin und Hamburg schon gezeigt haben, dass junge Leute dem Theater gut tun.“ zott
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