: Helfen will gelernt sein
Guter Wille allein reicht nicht: Wer in die Entwicklungshilfe einsteigen möchte, muss sich rechtzeitig fortbilden. Wichtig sind Qualifikationen in Projektmanagement und partizipativen Methoden
von OLE SCHULZ
Wo sie beruflich landen würde, hatte sich schon während ihres Studiums abgezeichnet: Erst war Beate Holthusen mit einem Stipendium der Carl Duisberg Gesellschaft für vier Monate nach Simbabwe gereist. Dann besuchte sie im Anschluss an ihr Diplom in Sozialökonomie den einjährigen Aufbaustudiengang „Seminar für ländliche Entwicklung“ in Berlin. „Danach war ich heiß darauf, die Methoden, die ich gelernt hatte, in konkreter Projektarbeit umzusetzen.“
1995 ging Holthusen schließlich für zwei Jahre als Entwicklungshelferin des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) nach Mali, wo sie mit dem Bauerndachverband zusammenarbeitete. Es folgten drei Kurzzeiteinsätze als Entwicklungshelferin in Benin, Laos und Tansania. Derzeit ist die 36-Jährige wieder in Deutschland und arbeitet als freiberufliche Trainerin für angehende Entwicklungshelfer und Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes. Manchmal macht sie auch Bildungsarbeit in Schulen und berichtet in der Oberstufe von ihren Erfahrungen in Afrika.
Für die Zukunft schwebt Holthusen eine Mixtur aus Einsätzen im Ausland und der Trainertätigkeit zu Hause vor. Sie weiß aber auch, dass dieser Wunsch nicht ganz einfach umzusetzen sein wird. Denn die Mittel, die vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) für die Entwicklunghilfe zur Verfügung gestellt werden, stagnieren seit Jahren bei etwa 0,26 Prozent des Bruttosozialprodukts, und das BMZ setzt zunehmend auf Public-Private-Partnership, also auf von der öffentlichen Hand geförderte Kooperationen zwischen Unternehmen in Entwicklungsländern und Deutschland.
Um die verbliebenen qualifizierten Jobs reißen sich aber weiterhin viele. Wer heut zu Tage in die Entwicklungshilfe einsteigen möchte, sollte sich daher rechtzeitig fortbilden. Bei Sozialwissenschaftlern und Pädagogen seien etwa fundierte Kenntnisse in Projektmanagement und partizipativen Methoden inzwischen „das A und O“, sagt Kerstin Kude-Osman – nicht zuletzt, um der entwicklungspolitischen Grundidee „Hilfe zur Selbsthilfe“ gerecht zu werden. Die Diplompädagogin war 1997 in Uganda für den DED zwei Jahre lang als Beraterin in der Jugendgerichtshilfe tätig. „Besonders wichtig für die Organisationen vor Ort sind Kontakte zu Finanziers.“ Denn meistens hätten die NGOs in den Entwicklungsländern keine Ahnung, wie Gelder aufgetrieben werden können, um eigene Projekte anzuschieben.
Am Anfang der deutschen Entwicklungshilfe waren es Freiwillige, die den Armen in der Welt helfen wollten und 1963 den DED gründeten. Seinerzeit war man noch hoffnungsvoll: Die Vereinten Nationen erklärten die Sechzigerjahre euphorisch zur „Entwicklungsdekade“, und viele glaubten, die soziale Kluft zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden in absehbarer Zeit überwinden zu können.
Dieser Optimismus ist schon seit längerem verflogen, doch mit der Institutionalisierung der Entwicklungshilfe sind auch die Helfer aus der Ersten Welt geblieben. Von den über 2.000 Experten und Fachkräften, die im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und vom Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) in die Dritte Welt entsandt sind, unterscheiden sich die rund 1.500 Entwicklungshelfer dadurch, dass sie ohne Erwerbsabsicht tätig sind und lediglich ein „Unterhaltsgeld“ beziehen.
Bis heute ist der DED die größte deutsche Personalentsendeorgansiation in der Entwicklungshilfe: Dieses Jahr sind bisher insgesamt 991 Entwicklungshelfer für den DED im Ausland unterwegs, im Durchschnitt für drei Jahre.
Auf Platz zwei und drei folgen die kirchlichen Entwicklungsdienste: die AGEH, die katholische „Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe“ (1999: 252 Entwicklungshelfer), und die protestantischen „Dienste in Übersee“ (1999: 225).
Die Kapazitäten der Entwicklungsdienste sind zwar begrenzt, doch wegen der zeitlichen Befristung der Tätigkeit werden kontinuierlich neue Entwicklungshelfer gesucht: Bei der AGEH gibt es zur Zeit zum Beispiel 35 offene Stellen, der DED rechnet hingegen für das kommende Jahr mit einem Bedarf von mindestens 300 neuen Entwicklungshelfern. Engpässe gibt es beim DED etwa bei Ärzten, Hebammen, Handwerksmeistern, Sozial- und Berufspädagogen sowie Ingenieuren für Regionalplanung.
Die Rolle der Entwicklungshelfer hat sich im Laufe der Jahre stark gewandelt: Aus „idealistischen Helfern“ sind „sozial engagierte Fachkräfte“ geworden, schreibt etwa der DED. Neben „soft skills“ werden eben auch eine fundierte Ausbildung, eine mehrjährige Berufserfahrung und Sprachkenntnissen vorausgesetzt. „Die isolierte Mitarbeit beispielsweise von Krankenschwestern in einem afrikanischen Hospital gehört längst der Vergangenheit an“, heißt es indes in einem Strategiepapier von fünf anerkannten deutschen Entwicklungsdiensten zum Stand der personellen Entwicklungszusammenarbeit. Heute gehe es vielmehr darum, den lokalen Partnern bei der Lösung struktureller Probleme zu helfen; der Schwerpunkt liege deshalb in der Organisationsentwicklung, der Menschenrechts- und Friedensarbeit sowie der Stärkung der zivilgesellschaftlichen Akteure. Das macht entsprechende Zusatzqualifikationen für Entwicklungshelfer umso wichtiger.
Dass die Entwicklungshilfe des Westens nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“ ist, glaubt auch Entwicklungshelferin Holthusen. „Doch für einzelne Menschen können die Projekte sehr viel bedeuten.“ Dieser Widerspruch müsse einem als Entwicklshelfer klar sein, sagt Holthusen, „sonst geht man drauf“.
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