piwik no script img

Böhse werden gut ■  die Guten jaulen

Viele Linke sind heute nicht mehr in der Lage, sich zu wirtschaftspolitischen Überzeugungen durchzuringen – alles so furchtbar kompliziert. Wie gut, dass es Feinde gibt, über die man sich easy definieren kann: zum Beispiel die Onkelz. Die sind zwar vor 15 Jahren – in zartestem Teeniealter – aus der rechten Szene ausgestiegen, sprechen sich seit neun Jahren explizit gegen Ausländerfeindlichkeit aus und boten dem Reemtsmainstitut das Sponsern der Wehrmachtsausstellung an, was dankend ablehnte. Doch einmal Feind, immer Feind. Seit elendig langen 15 Jahren wird wild über den Gesinnungswandel der Onkelz spekuliert – echt oder geheuchelt? – anstatt einen Blick in die Liedtexte zu riskieren. Da dominiert klassisches altmodisches Hardrock-Ethos: man selbst sein, sich nicht korrumpieren lassen, alles eher unpolitisch. Im Mai diesen Jahres spielten sie vor 12.000 in der Stadthalle: ein supergeiles Rockonzert und nichts als ein Rockonzert. Nur die Liebe der Fans ist übergroß. Weil die Onkelz jahrelang durch Konzertabsagen und Schlagwortgehämmere abgenervt wurden, gehört ihnen die Sympathie all der anderen Abgenervten: Metzger, KfZ-Mechaniker, taz-Redakteurinnen und natürlich auch vieler Skins. Wer Letztere erreichen will, muss zu den Onkelz gehen, bei den Toten Hosen wird er sie nicht finden. Bei deren Rock-gegen-rechts feiern nur die Gutmenschen ihr Gutmenschentum.

Dürfen sich Ex-Rechte vor Noch-Rechten gegen rechts aussprechen? Was für eine superdämliche Frage. Ich verstehe beim bes-ten Willen nicht, warum dafür der gute taz-Kommentarplatz vergeudet wird. Barbara Kern

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen