Hermann Böse-Gymnasium in Aufruhr

■ Die SchülerInnen am Hermann-Böse-Gymnasium wehren sich gegen die sexistischen Sprüche eines Sportlehrers. Der wehrt sich. Die Schulleitung muss aufklären – offenbar viel zu spät

Eine Schule kocht. Noch ist man im Hermann Böse-Gymnasium zwar bemüht, „die Sache“ intern zu regeln. Doch die Gerüchte, die schon seit Jahren um einen Sportlehrer ranken, von dem sich viele Schülerinnen immer wieder sexuell belästigt fühlten, brechen sich Bahn. Auch die Schulbehörde muss sich mit dem Fall befassen, den mehrere junge Frauen verschiedener Jahrgänge jetzt ins Rollen brachten. Die SchülerInnen aus den Klassen zehn bis zwölf führen über Vorkommnisse in jüngster Zeit, darunter offenbar dubiose Vorschläge, mit ihren „schönen Körpern“ doch beispielsweise einen Film zu drehen, Beschwerde. Während die Schulleitung den Fall noch prüft, überlegen die ersten Schülerinnen, einen Rechtsanwalt einzuschalten. Der betroffene Lehrer spricht.

Um sich gegen die Anschuldigungen von Schülerinnen aber auch von Schülern zu wehren, die sich seinen Umgangston nicht mehr gefallen lassen wollen, war der Beschuldigte kürzlich in eigener Sache ungewöhnlich aktiv geworden: In seinem Sportunterricht reichte er eine Unterschriftenliste herum, auf der SchülerInnen namentlich unterzeichnen sollten, dass er sie nicht belästigt habe. Erst nachdem der Direktor, selbst Sportlehrer, von der Schülervertretung auf diesen Vorgang aufmerksam gemacht wurde, wurde die Liste kassiert. Der Lehrer hat unterdessen zwei Schüler aus seinem Unterricht ausgeschlossen – weil diese „die Kampagne“ gegen ihn förderten. Der Direktor verweist in dieser Sache auf seine Schweigepflicht.

Tatsächlich wirkt die Beschwerdewelle auf den ersten Blick wie eine Kampagne: Fast täglich werden neue Vorwürfe gegen den Pädagogen, der seit 1973 an dem Schwachhauser Gymnasium unterrichtet, laut. Fast täglich auch gibt es neue Gespräche mit unterschiedlichen Betroffenen. Und tatsächlich fällt die Häufung der Beschwerden mit einer disziplinarischen Maßnahme des jetzt beschuldigten Lehrers gegen eine zehnte Klasse zusammen, die mit Chaos-Aktionen im Umkleideraum aufgefallen war. Auch dass diese Vorwürfe auf die Achillesferse des beamteten Sportlers zielen, ist in der Schule bekannt: Bereits vor Jahren hatte der Mittfünfziger nach ähnlichen Anschuldigungen eine Untersuchung gegen sich selbst eingeleitet, die ihn schließlich entlastete.

Auf den zweiten Blick jedoch ergeben Recherchen der taz, dass am Hermann Böse-Gymnasium schon länger fragwürdige Zustände herrschen, die vor allem die Frage aufwerfen, wieso es erst jetzt zum Eklat kommt. Denn Nachfragen bei einer zufälligen Auswahl von Schülerinnen ergeben, dass jede von ihnen schon Zeugin von verbalen Ausfällen des jetzt Beschuldigten war. Und fast immer geht es um sexuelle Anzüglichkeiten – die auch im Zusammenhang mit der Notengebung eine Rolle zu spielen scheinen. Für das schon länger zurückliegende Beispiel: „Du kannst zwar nicht gut schwimmen. Aber für deinen süßen Arsch kriegst du eine Drei“, gibt es gleich mehrere Zeuginnen. Auch dass es angesichts kurz behoster Mädchenbeine schon hieß, „die tut wenigstens was für ihre Note“, erzählen die Schülerinnen, die aber die Schulleitung darüber nie informierten. Dass die Sachlage dort dennoch bekannt war, glaubt trotzdem fast jede. Schon der Versuch vieler Mädchen, Sportangebote beim beschuldigten Lehrer zu umgehen, sei sicher aufgefallen. „Deshalb haben wir nie erfahren, wer welchen Kurs gibt.“ Doch in der nur mit Männern besetzten Schulleitung habe es keinen Ansprechpartner gegeben. „Wie sollte ich mit denen reden?“, fragen die einen. Die anderen sagen: „Das wollte niemand wissen.“ Erst nachdem vor Monaten erstmals eine Frau als stellvertretende Schulleiterin ans Hermann Böse-Gymnasium kam, scheint sich das für die Schülerinnen zu ändern. ede